: Big Mama is watching you
Niemand kommt auf die Idee, sein Kind an die Leine zu nehmen – es sei denn, sie ist elektronisch
In Großbritannien werden Pädophile jetzt per GPS überwacht, wenn auch zunächst nur probeweise: Sie erhalten ein GPS-Gerät ans Bein montiert, mit denen der Aufenthalt des Trägers genau festgestellt werden kann. Das Gerät piepst, sobald sich der Träger in der Nähe von Schulen, Spielplätzen oder Kindergarten aufhält.
In Japan verhält es sich hingegen umgekehrt: Verlassen die Schüler, also die potenziellen Opfer, das Schulgelände, erhalten die Eltern eine Nachricht auf ihr Mobiltelefon. Der Konzern Fujitsu rüstete am Montag 40 Schüler der privaten Rikkyo-Grundschule mit einem Computer-Chip aus, der zumeist am Ranzen befestigt wird.
Schon Anfang des Monats stattete die öffentliche Grundschule der Stadt Iwamura einen Teil ihrer Schüler mit ähnlichen Chips aus, die über Antenne ein Radiosignal zu Empfängern an den Schultoren senden. Via Computer lässt sich so kontrollieren, wann ein Schüler die Schule verlässt oder betritt: „Die Kids lieben es – sie halten es für cool“, behauptet zumindest der Lehrer Ichiro Ishihara.
Auch im angeblich technologiefeindlichen Deutschland wird ein ähnlicher Dienst angeboten. Die Firma Armex offeriert auf ihrer Homepage www.trackyourkid.de einen Ortungsdienst für Kinder, werbend mit der bangen Frage „Glauben oder wissen Sie, dass Ihr Kind gut in der Schule angekommen ist?“. Eltern, die es genau wissen wollen, zahlen pro Kontrolle 50 Cent, Kinder, die ihre Eltern verunsichern wollen – oder schlicht ihre Freiheit auskosten wollen – schalten einfach ihr Handy ab. Amerikanische Kids haben es allerdings schwerer: der Hersteller www.wherifywireless.com bietet eine Kinderarmbanduhr mit eingebautem GPS-Empfänger an: die sitzt fest am Kinderarm wie eine Fußfessel und kann nur von den Eltern geöffnet werden.
Mit den Ängsten der Eltern lässt sich gut Geld verdienen, man muss nur an sie appellieren. Die Kinder, nicht technologiefeindlich, sondern an jeder neuen Spielerei brennend interessiert, machen offensichtlich mit. Gefragt sind also eher die Eltern: Wie viel wiegt die eigene Angst im Vergleich zu einer ganzen Generation von überwachungssozialisierten Kindern? Es ist noch überhaupt nicht abzusehen, welche Folgen solche Techniken für das Heranwachsen haben könnten. Aber nach wie vor gilt: Je mehr Sicherheit, desto weniger Freiheit. Und in die müssen auch Kinder nach und nach entlassen werden. MARTIN REICHERT