eine bierwünschelrute gegen den durst von RALF SOTSCHECK :
Sie kennen das Gefühl: Sie irren mit trockener Zunge durch eine fremde Stadt und finden keine Kneipe. Jetzt kann Sie geholfen werden. Henk Muller und Cliff Randell, zwei Wissenschaftler an der britischen Universität Bristol, haben eine Pub-Armbanduhr erfunden, die Sie auf kürzestem Weg an die Tränke führt.
Die elektronische Bierwünschelrute ortet den Standort des Besitzers über Satelliten und verrät ihm auf mündliche Anfrage die nächstgelegenen vier Wirtshäuser. Ist er auf dem rechten Weg, sendet das Gerät beruhigende Piepstöne aus, andernfalls schlägt es Alarm – vermutlich mit einer Wüstenmelodie oder dem Stones-Hit „I can’t get no satisfaction“. 500 Pfund kostet das Sicherheitsnetz für schüchterne Alkoholiker, die sich nicht trauen, Passanten nach dem Weg zu fragen. Offiziell heißt das Gerät „E-Sleeve“, also „elektronischer Ärmel“, denn als Armbanduhr kann man das Ungetüm kaum bezeichnen. Sicher, man schnallt sich das Mini-Display ums Handgelenk. Doch die Elektronik hängt an einer Kunststoffplatte, aus der viele Drähte ragen. Sie reicht bis zum Ellenbogen. Man sollte langärmlige Pullover tragen, damit man im Pub nicht für eine Art Roboter gehalten wird und ein Tässchen Maschinenöl serviert bekommt – was in Großbritannien freilich nicht weiter schlimm wäre, denn das einheimische Bier schmeckt nicht viel besser.
Das „Bristol Wearable Computing Project“ von Muller und Randell hat sich auf die Entwicklung tragbarer Computer spezialisiert. Die gibt es längst, könnte man einwenden, doch das Team aus Bristol nimmt den Begriff wörtlich. Es hat neben dem Pub-Wegweiser einen Rechner erfunden, der wie eine Jacke aussieht und auch so getragen wird. An eine Zusammenarbeit mit irgendwelchen Modehäusern sei bisher nicht gedacht, sagt Muller, und auch wattierte Exemplare für den strengen nordenglischen Winter gibt es noch nicht. Man kommuniziert mit seinem Frühlingsjäckchen über Kopfhörer und Mikrofon und kann sich die Sehenswürdigkeiten einer Stadt erklären lassen.
Es soll auch bei Kunstausstellungen funktionieren: Das Kleidungsstück stellt mit Hilfe von Ultraschall fest, vor welchem Gemälde der Träger steht, und informiert ihn ausführlich über das Werk. Falls Sie also irgendwo einem Menschen begegnen, der seine geschwätzige Jacke anschnauzt, sie möge endlich den Mund halten, ist das durchaus kein Irrer. Es ist Muller. Oder Randell. Noch nicht getestet wurde, ob sich Cyber-Jacke und Pub-Ärmel vertragen. Die eine möchte dem Besitzer eine Stadt kulturell näher bringen, der andere will immer nur ins nächste Wirtshaus. Allerdings hat der „E-Sleeve“ einen Vorteil: Er kann auch beim Heimweg behilflich sein. Leider, so räumt Randell ein, könne das schief gehen, wenn man das Gerät mit nüchterner Stimme programmiert hat. In diesem Zustand findet man im Allgemeinen auch ohne elektronischen Wegweiser nach Hause. Wenn man die Armbanduhr hingegen anlallt, stellt sie sich stur und überlässt den orientierungslosen Trinker seinem Schicksal. Oder sie leitet ihn zum nächstgelegenen Polizeirevier in die Ausnüchterungszelle. Aber dort landet man schließlich auch ohne das unhandliche Gerät.