: Karstadt-Fahnen wehen vorerst weiter
Laut ver.di ist jetzt klar, wie es mit den sechs gefährdeten Filialen in Hamburg weitergeht: Sie werden in eigene GmbHs umgewandelt und überleben vielleicht. Damit verbunden sei aber die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
Von Jennifer Neufendund Kai von Appen
Die blauen Flaggen über der Karstadt-Filiale in Langenhorn wehen noch. An dem grauen Betongebäude prangt ein Werbeplakat. „Mein Gefühl sagt mir“, lautet der Slogan, „so und nicht anders.“ „Besser Karstadt“ steht unten rechts in der Ecke. Ob Karstadt in diesen Tagen besser ist, fragen sich Arbeitnehmer und Kunden. Gerüchte über Schließungen und Umstrukturierungen umwehen das Gebäude. „Es würde mir sehr Leid tun, wenn Karstadt dichtmacht“, bedauert eine Kundin, die mit prall gefülltem Einkaufskorb das Kaufhaus verlässt.
Der Essener KarstadtQuelle-Konzern plant die Ausgliederung oder den Verkauf von sechs Karstadt-Häusern in Hamburg, gab die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gestern bekannt. Betroffen sind demnach die Filialen in Bramfeld, Neugraben, Langenhorn, Eppendorf, Barmbek sowie im Einkaufszentrum Hamburger Straße. Ab dem 1. Januar 2005 sollen fünf dieser Häuser in eigene GmbHs überführt werden und haben dann drei Jahre Zeit, schwarze Zahlen zu schreiben. Erreichen die Häuser diese Vorgaben nicht, werden sie verkauft, so ver.di weiter über die Pläne der Konzernleitung. Die Zukunft der Filiale Hamburger Straße ist weiter ungewiss. In 14 Hamburger Filialen fanden gestern Betriebversammlungen statt, auf denen die Mitarbeiter über die Pläne aufgeklärt wurden.
Nach Endzeitstimmung sieht es in Langenhorn nicht aus. Die Verkäuferinnen packen Kartons aus und Ware in die Regale. Auch die Kundschaft tummelt sich in gewohnter Weise um Angebote auf den Tischen und schaut sich bedächtig Pullover und Hosen an. „In Hamburg wird keine Filiale geschlossen“, meint eine Verkäuferin trotzig, „und in Langenhorn schon gar nicht.“ Zum Konzern will sie jedoch nichts sagen und verweist auf die Geschäftsleitung. Diese wollte der taz gestern aber keine Auskunft geben, sondern verwies wiederum auf die Pressestelle in Essen.
„Wozu ich aber etwas sagen kann, sind die längeren Öffnungszeiten“, so die Verkäuferin auskunftswillig. „Die sind nämlich nicht familienfreundlich.“ Sie sehe ihren Mann, der auch im Einzelhandel arbeite, nicht mal mehr jeden Sonnabend. „Die Kundschaft verlagert sich nur“, erklärt sie, „es werden nicht mehr Kunden.“ Nach der Versammlung heute Morgen seien sie und ihre Kollegen „wieder frisch motiviert“, ruft sie und macht sich an die Arbeit.
Ulrich Meinecke, stellvertretender Landesbezirksleiter von ver.di, stellt nach der Betriebsversammlung in Bramfeld ebenfalls fest, dass die Beschäftigten über die Nachricht von der Zukunftsaussicht als GmbH sehr erleichtert seien. Viele hätten mit Schließungen gerechnet. „Mit diesen positiven Ankündigungen für ein Weiterbestehen hat der Arbeitgeber einen Erpressungsversuch kombiniert“, wirft Meinecke dem Konzern vor. Von ver.di werde jetzt verlangt, die Tarife abzusenken. Das bedeute kein Urlaubsgeld, keine Sonderzahlungen, flexiblere Arbeitseinsätze, keine Altervorsorge und die Absenkung der Löhne durch eine Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden.
In Kassel treffen sich am 4. Oktober alle Tarifkommissionsmitglieder und Gesamtbetriebsräte, um gemeinsam über den Vorschlag des Arbeitsgebers zu beraten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diesem Erpressungsversuch nachgeben werden“, prognostiziert Meinecke. „Sie spielen mit den Ängsten der Leute, aber auch mit Hoffnungen.“
Einen Vorschlag für die Zukunft der Karstadt-Filiale in Langenhorn hat ein anderer Kunde: „Hier müsste mal neuer Pepp reingebracht werden“, meint er. „Die Lebensmittelabteilung könnte ruhig schließen. Es gibt genug Lebensmittelmärkte in der Gegend.“ Das Angebot sei sehr verstaubt und bei den Verkäuferinnen habe man teilweise das Gefühl, dass man als Kunde störe. „Andererseits möchte ich Karstadt hier nicht missen“, versichert er. „Ich möchte nicht so weit fahren, um zum Beispiel eine Geldbörse zu kaufen.“ Dann kramt er weiter in den Portemonnaies, die im Preis reduziert sind – zur Feier von 30 Jahren Karstadt in Langenhorn.