Kleist bei Betrachtung von Goethes Gebeinen

Im ernsten Beinhaus sah ich Goethes Knochen, Die Hand, den Fuß, zerstreut die bleichen Glieder; Das Wadenbein aus dem Gelenk gebrochen. Entrenkte Schulterblätter! Niemals wieder Tragt ihr das Dichterhaupt. Verdreht das Becken; Auch liegen Rippen quer und morsch darnieder.Der Schädel mürb‘, zerschimmelt, voller Flecken! Oha! In Goethes Mundwerk hauset Ungeziefer, Und aus der Nase kriechen schleimig Schnecken. Gewürm hat auch der Wang‘ einst festen Schiefer Zerkrümelt; Larven nuckeln dran und saugen. Oh Goethe! Nein, dein bröckeliger Kiefer Wird nimmermehr für gold‘ne Worte taugen. Zerbröselt das Gebiss; von flinken Spinnen Wurd‘ längst die Zung’ verzehrt und auch die Augen; Nun, jedenfalls hängt sie im Schlund nicht drinnen. Oh Kopf! Geheim‘ Gefäß! Wie es mich drängte, Dich vom Genick zu schrauben und von hinnen (Im Einkaufsbeutel, in den ich dich zwängte) Zu mir nach Haus‘ zu nehmen, mit ins Reine, Wo ich den Platz auf dem Büfett dir schenkte – Und außerdem stehst du dort nicht alleine Da ruh‘n die Lendenwirbel von Cervantes, Ein Bein Homers, das Glied vom Heinrich Heine, Der Arsch von Shakespeare (oder war es Dantes?).

Peter Köhler