: Umweltschutz: Ja bitte, aber nicht bei mir
Neue Studie: Deutsche sind wieder ein bisschen umweltbewusster. Paradox: Sie wollen weniger Verkehr in den Städten und fahren mehr Auto. Schlechte Noten für die Umweltkompetenz der Parteien: SPD und CDU abgesackt, Grüne liegen weit vorn
VON BEATE STRENGE
Das Umweltbewusstsein der Deutschen ist nach dem kontinuierlichen Niedergang der letzten 15 Jahre erstmals wieder leicht gestiegen. Das besagt eine Studie von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt, die gestern in Berlin veröffentlicht wurde. Für die repräsentative Studie, die seit 1996 im Zweijahresrhythmus erscheint, befragten die Meinungsforscher von TNS-Emnid 2000 Menschen.
Auf die ohne Antwortvorgaben gestellte Frage „Was ist das wichtigste Problem, dem sich unser Land gegenübersieht?“ landete der Umweltschutz auf Platz drei (2002: Platz 4) – und lag damit gleich wie „soziale Gerechtigkeit“ und hinter „wirtschaftlicher Lage und Arbeitsmarkt“ (Platz 1). Das Niveau ist allerdings vergleichsweise niedrig: Nur 18 Prozent der Befragten sehen jetzt den Umweltschutz als wichtigstes Problem – 1988 waren es zwei Drittel, 1995 noch knapp die Hälfte.
Bei den zehn wichtigsten Politikzielen steht Umweltschutz auf Platz acht. 45 Prozent finden ihn „sehr wichtig“ – und damit bedeutsamer als Terrorschutz und Ausländerintegration.
Beim Klimaschutz sind inzwischen 56 Prozent für eine Vorreiterrolle Deutschlands in der EU - sieben Prozent mehr als 2002. 59 Prozent haben Angst vor Atomkraft, 70 Prozent stimmen dem weiteren Ausbau der Windkraft „voll und ganz“ oder „eher“ zu.
Der grüne Bundesumweltminister, Jürgen Trittin, nutzte die Studie, um die Regierungspolitik zu untermauern. Er freue sich schon auf den Wahlkampf gegen die Union um Atom- und Windkraft. „Das wird unsere Mehrheitsfähigkeit stärken“, frohlockte Trittin. Allerdings kommt die Ökosteuer bei den Befragten schlecht an: 58 Prozent sind insgesamt dagegen, in Ostdeutschland sogar 64 Prozent.
Ein Trend ist durchgängig: Mehr Umweltbewusstsein führt nicht automatisch zu umweltfreundlichem Handeln. Die Befragten fahren öfter Auto im Nahverkehr: 45 Prozent nutzen es sehr häufig (plus 7), während gleichzeitig die Mehrheit dafür ist, Autoverkehr aus den Städten zu verdrängen. Beim Flächenverbrauch ist es ähnlich: Das Problem wird erkannt, dennoch bleibt das Traumziel ein Einfamilienhaus im Grünen. Nur drei Prozent beziehen Ökostrom, nur einer von hundert hat eine ökologische Geldanlage.
Schlecht schnitten die politischen Parteien in ihrer Umweltkompetenz ab. Den Grünen trauen immerhin 43 Prozent der Befragten zu, Umweltprobleme lösen zu können – ein Plus von drei Prozentpunkten. Die SPD sackte dagegen auf 14 Prozent (minus elf) ab, die Union fiel auf 17 Prozent (minus 5). Der umweltpoltische Sprecher der CDU, Paziorek, will die Studie nutzen, um der Union „den Nachholbedarf“ in der Umweltpolitik klar zu machen. „Das ist ernst zu nehmen, wenn wir 2006 gewinnen wollen“, sagte Peter Paziorek der taz. Schlusslichter sind FDP und PDS.
Die Zufriedenheit mit der eigenen Umgebung ist aber groß: Über vier Fünftel schätzen die Umweltqualität in ihrer Kommune und in Deutschland als „sehr gut“ oder „recht gut“ ein.