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Archiv-Artikel

Noch einmal Volkes Stimme hören

250 Bürger protestieren bei öffentlicher Anhörung zum LBK-Verkauf gegen eigene Entmündigung. Sachverständiger warnt vor Risiken für den Fortbestand der Kliniken

Klagt ein Mann seinem Arzt: „Ich werde ständig ignoriert.“ Darauf Herr Doktor: „Der Nächste bitte!“

Ein Witz als Gleichnis. So wie dem unglücklichen Patienten, gehe es ihm beim Volksentscheid, beschreibt ein älterer Teilnehmer der gestrigen Anhörung zum Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) seine Stimmungslage. 250 ZuhörerInnen reagieren mit regem Applaus – drei Dutzend anwesende Politiker, meist Mitglieder der einladenden Bürgerschaftsausschüsse für Gesundheit und Haushaltsfragen, quittieren den Beitrag – je nach politischer Couleur – mit amüsierten oder eisigem Schweigen.

Noch einmal darf sich Volkes Stimme auf dieser öffentlichen Anhörung darüber empören, dass der Senat dem Volk nicht folgt. Ein betagterer Teilnehmer schimpft, die versammelten CDU-Politiker im Visier: „Wenn sie den Volksentscheid nicht umsetzen, fügen sie der Demokratie schweren Schaden zu. Warum sollen sich Bürger dieser Stadt dann noch engagieren?“

Eine Krankenschwester beklagt, dass die vom LBK-Neubesitzer Asklepios angekündigten Haustarifverträge weitere Lohneinbußen bedeuten werden. Keiner der anwesenden Politiker, so mutmaßt die 39-Jährige „könne sich vorstellen, von dem bescheidenen Gehalt zu leben“, das sie bereits heute nur verdiene.

Auch die Initiatoren des Volksentscheids nehmen die Gelegenheit wahr, ihren Protest noch einmal zu formulieren. Die LBK-Personalrätin Katharina Ries-Heidtke (ver.di) beklagt, die Verpflichtung des Neu-Eigners Asklepios zum Weiter-Verkauf einer noch ungenannten LBK-Klinik komme „einem modernen Sklavenhandel“ gleich. Dem Vernehmen nach würden schon heute Manager von Asklepios die Geschicke des LBK leiten, Anweisungen geben und mit Chefärzten verhandeln – und das, obwohl die Bürgerschaft noch gar nicht über den Verkauf beschlossen habe.

Der Unternehmensberater Ulrich Kestermann bezweifelte, „dass Asklepios den schweren Schulden-Rucksack schultern kann“, der dadurch entstehe, dass der Klinikbetreiber den LBK vornehmlich mit geliehenem Geld kaufe: „Zinsen von jährlich 13 bis 15 Millionen Euro und dazu noch zugesagte Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe – das zu bezahlen, geben die schmalen Kassenvergütungen niemals her.“ Es gebe aber keine im Vertrag erkennbare „Auffanglinie“ für den Fall, dass Asklepios die LBK-Sanierung nicht gelinge. „Was dann mit dem LBK passiert, weiß niemand“, beklagte der Sachverständige. Marco Carini