: Der Schutz des reinen Sports
Europäisches Gericht will sich grundsätzlich nicht mit Dopingfällen beschäftigen, weil Sportregeln nicht dem EU-Recht unterliegen. Eine Klage zweier bei der WM 1999 positiv getesteter Langstreckenschwimmer wird abgewiesen
FREIBURG taz ■ Doping-Bestimmungen sind sportliche und keine wirtschaftlichen Regeln. Dies entschied gestern in einem Grundsatzurteil das Europäische Gericht Erster Instanz (EuG). Das Gericht lehnte deshalb die Prüfung ab, ob die Dopingregeln des Weltschwimmverbandes möglicherweise überzogen sind. Gegen die Entscheidung ist noch Berufung zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) möglich. Geklagt hatten zwei Profi-Schwimmer, der Spanier David Meca-Medina und der Slowene Igor Majcen. Sie hatten 1999 bei den Weltmeisterschaften im Marathonschwimmen den ersten und zweiten Platz gewonnen, waren anschließend aber positiv auf das verbotene Anabolikum Nandrolon getestet worden. Die Folge: beide verloren ihren Titel und wurden für vier Jahre gesperrt.
Das De-facto-Berufsverbot wollten die beiden Schwimmer nicht auf sich sitzen lassen. Sie beriefen sich auf wissenschaftliche Studien, wonach auch der Verzehr des Fleisches von unkastrierten männlichen Wildschweinen zu erhöhten Nandrolon-Werten führen könne. Auch sie hätten Keiler-Fleisch gegessen. Das Sportschiedsgericht reduzierte die Sperre deshalb zwar auf zwei Jahre, hob sie aber nicht auf. Nach den Anti-Doping-Regeln des Weltschwimmverbandes und des Internationalen Olympischen Komitees ist ein Sportler aber auch dann zu sperren, wenn er eine verbotene Substanz ohne Wissen oder aus Fahrlässigkeit eingenommen hat. Diese Klausel hielten Meca-Medina und Majcen für überzogen. Sie sahen darin ihre von den EU-Verträgen garantierte Dienstleistungsfreiheit sowie das Wettbewerbsrecht der EU verletzt. Der Nandrolon-Schwellenwert sei „wissenschaftlich schlecht begründet“ und könne zur Benachteiligung unschuldiger oder nachlässiger Berufssportler führen.
Nachdem die EU-Kommission eine Beschwerde der beiden abgelehnt hatte, gingen diese vor Gericht, aber ohne Erfolg. Das EU-Gericht lehnte die Klage schon im Ansatz ab. Die EU habe keine Zuständigkeit für rein sportliche Regeln. Als sportliche Regeln galten in der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum Beispiel die Dauer eines Spiels, die Zahl der Mitspieler, aber auch die Aufstellung einer Nationalmannschaft. Das EuG stellte solchen Regeln nun auch die Anti-Doping-Bestimmungen gleich. Ohne Sportsgeist und Fair-Play sei der Sport kein Sport mehr. Der Kampf gegen das Doping sichere daher den Wesensgehalt des Sports. Außerdem diene er auch der Gesundheit der Sportler. Die EU-Kommission und die EU-Gerichte seien daher nicht für die Kontrolle der Doping-Regeln der Sportverbände zuständig.
Die beiden Schwimmer hatten argumentiert, die Anti-Doping-Politik der Sportverbände verfolge vor allem wirtschaftliche Ziele. Den Funktionären gehe es vor allem um die teure Vermarktung ihrer Wettkämpfe. Doch damit konnten sie die Richter nicht überzeugen. Selbst wenn die Verbände ein wirtschaftliches Interesse an den Doping-Regeln hätten, blieben es doch sportliche Regeln. Im Übrigen könnten auch die Sportverbände kein Interesse am systematischen Ausschluss unschuldiger Sportler haben und würden sich schon deshalb für wissenschaftlich gut begründbare Grenzwerte entscheiden. Angesichts der weitreichenden Folgen ist damit zu rechnen, dass die Anwälte der beiden Sportler in Berufung gehen. Doch selbst wenn der europäische Rechtsweg verschlossen bleibt, könnten sich betroffene Sportler auch an nationale Gerichte wenden. In Deutschland gilt bisher, dass Wettkampfsperren nur bei wissentlicher oder fahrlässiger Einnahme von Dopingmitteln möglich sind. Andernfalls sei das Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt. CHRISTIAN RATH