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Archiv-Artikel

Operation stiller Schrecken

Schafsschädel auf Holzpfählen: Die Protagonisten „echten norwegischen Black Metals“ zeigen die Bilder Peter Bestes in der Pool Gallery – und ästhetisieren das gefährliche Image einer Szene, in der sich ultrarechte Heiden tummeln

Die Gentrifizierung von Metal ist in vollem Gange. Seit Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister als Maskottchen in den Wochenendausgaben der Feuilletons seine verschrobene Sicht auf die Welt darlegen darf, kommt Rock-’n’-Roll-Härte zumindest ironisiert im Mainstream vor. Längst tauchen die drastischen Bilderwelten des Heavy Metal aber auch in der Welt von Mode, Literatur und Kunst auf. Die Theatralik von harter Rockmusik und ihre übertriebene Authentizität lassen interpretatorische Freiräume zu. Regelmäßige „Death-Metal-Performances“ locken etwa ein junges Publikum in die Hamburgische „Galerie für Landschaftskunst“. Das amerikanische Kriechmetal-Duo Sunno))) veröffentlicht nicht nur Platten, es baut inzwischen auch in aller Welt gefragte Klanginstallationen, die Feedback aus Verstärkern körperlich erfahrbar machen.

Nun sind zum ersten Mal Werke des Fotografen Peter Beste in Berlin ausgestellt. Seit sieben Jahren fotografiert der amerikanische Künstler norwegische Blackmetal-Musiker. Jetzt hat der 31-Jährige den Bildband „True Norwegian Black Metal“ (Vice Books) veröffentlicht, aus dem etwa 40 Fotografien in der Pool Gallery in Mitte zu sehen sind. Die Wahrheit über norwegischen Black Metal? Zentral in der Eingangshalle hängen großformatige Farbfotografien (1 m x 1,40 m), auf denen Beste die norwegischen Musiker abseits ihrer eigentlichen Jagdgründe auf der Bühne und im Aufnahmestudio in der freien Natur porträtiert. Es ist still in den Galerie-Räumen, die Musik muss man sich zu den Bildern denken.

Typisches Merkmal für norwegischen Blackmetal ist ein rachitisches Grunzen beim Gesang. Die Texte stecken voller satanischer Symboliken und Anspielungen auf heidnische Rituale. Das geht einher mit kathedralenhaft verschachtelten Songs, bombastischen Moshparts und sakralen Gitarrensoli. In einer Nahaufname ist der Gitarrist Nattefrost zu sehen. Seine Unterarme stecken in Killernietenarmbändern. Die Oberarme sind blutrot bemalt. Statt der Gitarre hält er ein umgedrehtes hölzernes Christenkreuz in die Kamera. Militante norwegische Blackmetal-Musiker haben Kirchen angezündet und Friedhöfe geschändet, ein prominentes Mitglied der Szene wurde wegen Mordes zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Weder Bild noch Bildunterschrift geben Auskunft, ob Nattefrost in diesen Dunstkreis gehört. Er hat sich in Positur geworfen.

Bestes Fotografien sind nicht dokumentarisch, sie lassen ihren Objekten einige Freiheit und spielen mit dem gefährlichen Halbwissen der Betrachter. Auch die Ausstellungsdramaturgie operiert mit stillem Schrecken. Zwischen die Musikerporträts sind Stillleben platziert. Auf einem Foto ist eine Hellebarde auf einem Tisch liegend zu sehen. Ein anderes Foto stellt die blutigen oder blutig rot gefärbten Wände eines Waschbecken aus. Abgeschlagene Schafsschädel auf Holzpfählen zeigt ein drittes.

Die Gegenstände fotografiert Beste aus der Nähe, bei den Porträts hält er die Kamera meist in absichtsvoller Distanz, lässt die Bildkompositionen für sich sprechen, gewährt den Objekten Entfaltungsraum: Abbath, langhaariger Sänger der Band Immortal, stapft in gebührender Entfernung mit Lederwams, nacktem Oberkörper und Motorradstiefeln durch einen bemoosten Wald. Er zeigt auf einen Gegenstand, der außerhalb des Bildes liegt. Er könnte auch einer der geschminkten und mordlüsternen Droogs aus dem Stanley-Kubrick-Film „Clockwork Orange“ sein. Demgegenüber ist die Natur in den Fotos märchenhaft idyllisch inszeniert. Abbath erscheint vor dem giftigen Moosgrün als Außerirdischer. Ein anderes, am Polarkreis aufgenommenes Foto zeigt einen Musiker namens Gaahl, bei einem Eisloch. Er bewegt sich auf die Blockhütte seiner Großeltern zu. Der Kamera hat er den Rücken zugewandt, man sieht ihn als schemenhafte Gestalt im Mantel. Ein Darkmetaller, unterwegs im ewigen Eis. JULIAN WEBER

Tucholskystr. 38, Mitte Mo– Fr 12–20 Uhr, Sa 12–19 Uhr. Bis 28. April