Richter geben Senat die Kugel

Verfassungsgericht erklärt Online-Roulette für rechtswidrig. Spielbank muss Internet-Glücksspiel abschalten. GAL und SPD freuen sich über Stärkung des Spielerschutzes. Suchthilfe ist erleichtert, dass „harte Droge“ Glücksspiel beendet wird

von ELKE SPANNER

Die Kugel zieht ihre letzten Kreise. Sobald es technisch möglich ist, wird die Spielbank Hamburg das umstrittene Online-Roulette abschalten. Das kündigte der Geschäftsführer der Spielbank Hamburg, Volker Richter, gestern an. Denn das Hamburgische Verfassungsgericht hat das Internet-Casino für rechtswidrig erklärt: Glücksspiel vom heimischen Computer aus, entschieden die neun RichterInnen, ist nicht vom Spielbankgesetz gedeckt. Mit dieser Entscheidung gaben sie in vollem Umfang der Klage von Abgeordneten der GAL- und der SPD-Bürgerschaftsfraktion Recht.

Das Gericht hat bestätigt, dass die Stadt nur Spielbanken mit Präsenzpflicht zulassen darf: Die SpielerInnen müssen beim Einsatz von Geld an einem Roulettetisch sitzen und der Aufsicht von Croupiers unterworfen sein. Dadurch sollen sie vor der kriminellen Ausbeutung des Spieltriebes und „ruinösem Spiel“ geschützt werden. Außerdem werde am Roulettetisch mit Spielmarken gesetzt. Die SpielerInnen, argumentierte das Gericht, erleben so direkt den Verlust ihres Geldes.

Anders beim Online-Roulette: Zunächst weise es eine deutlich niedrigere Zugangsschwelle auf, weil die TeilnehmerInnen ohne örtliche Veränderung vom häuslichen Internetanschluss mitsetzen können. Zudem werde das Spiel nicht von anderen Personen beobachtet. Auch wird der Spieleinsatz bargeldlos gezahlt, so dass man erst im Nachhinein am Kontostand ablesen kann, wie viel der Abend vor dem Computer gekostet hat. Das Online-Roulette, resümierte das Verfassungsgericht, „weist eine deutlich niedrigere Zugangsschwelle für den potenziellen Teilnehmer auf und bleibt auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Kontrolle des Spielers und seines Verhaltens hinter dem Präsenzspiel zurück“.

Die Entscheidung bedeutet nicht, dass es niemals wieder ein Online-Roulette geben darf. Um ein solches zu lizensieren, müsste zuvor aber die Bürgerschaft ein entsprechendes Spielbankgesetz verfassen. Und dafür hat das Gericht die Hürden gestern hoch angelegt. Sichtlich zufrieden darüber zeigte sich die GAL-Abgeordnete Dorothee Freudenberg, die ihre Fraktion vor dem Verfassungsgericht vertreten hat. „Nach der Argumentation des Gerichtes kann die Bürgerschaft jetzt nicht im Schnelldurchlauf eine Rechtsgrundlage erlassen“, sagte Freudenberg. „Das Gericht hat klar gesagt, dass das Online-Roulette nur unter ganz engen Voraussetzungen zugelassen werden könnte, und die müssten der Kernpunkt der parlamentarischen Beratungen sein“. Zumindest aber sei jetzt das Parlament am Zuge, und nicht länger der Senat. Der hatte voriges Jahr den Unmut der Opposition erregt, als er das Internet-Glücksspiel im Oktober lizensierte, obwohl der Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft noch mitten in der Beratung über damit verbundene Gefahren steckte.

Als eine „Ohrfeige“ für die damals verantwortlichen Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Peter Rehaag (Schill-Partei) bezeichnete die SPD-Fraktion das gestrige Urteil. „Der Senat hat die Gefahren bewusst ignoriert, um Gewinne zu machen – ein übles Spiel.“ Das müsse jetzt umgehend durch Abschalten des Internet-Angebotes beendet werden.

Auch VertreterInnen der Suchthilfe freuten sich über die Entscheidung. Bert Kellermann, ehemaliger Psychiater und jetziger Spielertherapeut in der „Aktiven Suchthilfe“, erinnerte daran, dass Glücksspiel eine „harte Droge“ sei. Deshalb sei es eine „gute Nachricht, dass das Gericht dem Einhalt geboten hat“.