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Archiv-Artikel

Gebildete Rentner verlieren 59 Euro

Die Regierung streicht Schul- und Hochschulbildung aus der Rentenzumessung. Der Verlust für Westrentner: maximal 59, für Ostrentner: maximal 52 Euro. Versicherer vermuten, dass Rentner bis 2007 noch nicht einmal Inflationsausgleich kriegen

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Auf genaue Zahlen wollte sich das Sozialministerium gestern nicht festlegen. Aber wozu haben die Betroffenen ihre eigenen Taschenrechner. Also: Was bedeutet es für Neurentner, dass Schul- und Hochschulbildung ab dem 17. Lebensjahr komplett aus der Berechnung der Rentenansprüche fliegen? Antwort: Das würde auf der Basis jetziger Rentenwerte im Westen bis zu 59 Euro weniger im Monat ausmachen. Im Osten wären es bis zu 52 Euro weniger.

Diese Neuregelung trifft die Abiturienten und Akademiker in der Rentnerschar. Einst wurden 13 ihrer Schul- und Hochschuljahre berücksichtigt, dann waren es sieben Jahre, momentan sind es drei. Vorgestern nun verkündete die Regierung, dass es ab 2008 ganz damit vorbei sein soll.

Ab dem 1. Januar 2005 wird pro Monat ein Monat weniger von der schulischen Ausbildungszeit angerechnet. Nach drei Jahren, also Ende 2007, ist die Übergangsfrist dann abgelaufen. Bisher wird jedes der drei angerechneten Schul- oder Studienjahre mit einem Eckpunkt bewertet, aber nur zu maximal 75 Prozent. Ein Eckpunkt ist im Westen momentan 26,13 Euro wert, im Osten sind es 22,97 Euro. Also ergibt die Rechnung 3 mal 26,13 Euro mal 0,75, dass ein West-Neurentner maximal 58,79 Euro weniger bekäme ab 2008.

Das Wörtchen „maximal“ ist wichtig: Schon jetzt werden bei jedem einzelnen Rentner die beitragsfreien Ausbildungszeiten individuell berücksichtigt. Damit soll verhindert werden, dass sich die drei Schul- oder Studienjahre überproportional auswirken – sei es zeitlich, weil die lebenslange Beitragsdauer kurz war, oder sei es in der Rentenhöhe, weil der Durchschnittslohn nicht kontinuierlich erreicht wurde, den ein Eckpunkt ja repräsentiert.

Ratlosigkeit herrscht bei einer anderen Gruppe: den Arbeitslosen und den Arbeitnehmern in Altersteilzeit. Hier hat die Regierung entschieden, dass bei ihnen das Rentenalter zwischen 2006 und 2008 schrittweise von 60 auf 63 Jahre angehoben werden soll. Die Folgen? Darüber will die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht spekulieren. Man warte zunächst einmal auf die konkreten Gesetzesentwürfe, sagte einer Sprecherin der taz. Erst dann werde man die Mitglieder informieren.

Faktisch wird der Vorruhestand für Arbeitslose abgeschafft. Wie viele dies ab 2008 betreffen dürfte, dafür können die aktuellen Arbeitsmarktdaten durchaus als Indikator dienen. Im September waren 473.796 Arbeitslose über 55 Jahre alt. Weitere 380.000 waren so genannte „nichtarbeitslose Leistungsempfänger“. Diese über 58-Jährigen haben darauf verzichtet, sich noch vermitteln zu lassen, erhalten aber weiter Geld vom Arbeitsamt. 70.000 Beschäftigte befanden sich zudem in der Altersteilzeit. Im Jahre 2008 dürften die Zahlen nicht wesentlich niedriger liegen: Selbst die Herzog-Kommission rechnet nicht damit, dass bis 2010 mehr als 300.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten.

Unabhängig von den Spezialregelungen gilt aber für alle Rentner, dass sie sich bis 2007 auf Nullrunden einstellen müssen – so sieht es jedenfalls der Verband der deutschen Rentenversicherungsträger (VDR), der sich gestern zu seiner jährlichen Mitgliederversammlung in Bad Homburg traf. Zunächst einmal will die Regierung die Rentenerhöhung 2004 „aussetzen“, also komplett streichen. Die nächste Rentenerhöhung erfolgt demnach am 1. Juli 2005. Theoretisch. Faktisch dürfte es kaum Zulagen geben, da die Altersbezüge davon abhängen, wie sich Löhne und Rentenbeiträge entwickeln. Außerdem werden die steigenden Lasten der privaten Riester-Vorsorge berücksichtigt. Hinzu kommt nun der Nachhaltigkeitsfaktor, den die Regierung ab 2005 einführen will. Also schätzt der VDR, dass die Rentner bis 2007 noch nicht einmal einen Inflationsausgleich erhalten. Das wäre einmalig in der bundesdeutschen Geschichte.