: Aus bösen Wilden gute Wilde machen
Deutsche als Kolonialherren: Im Eiszeit-Kino läuft die nationalsozialistische Tropenfantasie „Vom Schicksal verweht“. Der Film wurde 1941 gedreht und zeigt ein bemerkenswertes Nebeneinander von Ideologie und Unterhaltung
Nicht jeder Film, den die deutsche Unterhaltungsindustrie zwischen 1933 und 1945 hervorgebracht hat, betreibt offen nationalsozialistische Propaganda. „Vom Schicksal verweht“ zum Beispiel ist in erster Linie eine schattige Tropenfantasie. An ihrer Unterseite haben sich zwar Ideologie und kolonialer Geist festgesetzt, doch nicht so hartnäckig, dass der zarte Schmelz des Melodramatischen darüber in Vergessenheit geriete.
„Vom Schicksal verweht“ spielt auf einer Antilleninsel. Gedreht wurde der Film im Herbst 1941 in den römischen Cinecittà-Ateliers. Für die Regie zeichnete Nunzio Malasomma verantwortlich. Die Darsteller kamen aus Berlin. Dem konkreten Ort gegenüber legt „Vom Schicksal verweht“ Gleichgültigkeit an den Tag. Solange er als Kulisse für die exotische Reverie standhält, müssen weder die Drehbuchautoren noch die Setdesigner Details überprüfen. Dass etwa die Schwarzen auf den Antillen keine – wie es im Jargon des Filmes heißt – „Eingeborenen“ waren, sondern aus Afrika über den Atlantik verschleppt wurden, ist ihnen offenkundig entfallen. Und so nimmt es nicht wunder, wenn der Blick auf diese Eingeborenen entweder wohlwollend paternalistisch ausfällt oder sich fasziniert an den exotischen Körpern entzündet.
Bemerkenswert an „Vom Schicksal verweht“ ist nicht nur das friedliche Nebeneinander von Ideologie und Unterhaltung, sondern auch das somnambule Auftreten von Sybille Schmitz. Deren Karriere verlief in der Nazi-Unterhaltungsindustrie alles andere als geradlinig. 1937 wurde ein Spielverbot über sie verhängt. In der Folge durfte sie sich die Rollen nicht aussuchen, sondern diese wurden ihr zugewiesen. Nach 1945 trat sie zwar noch in einigen Filmen auf, doch eine große Rolle erhielt sie nicht mehr. Am 13. April 1955 starb Sybille Schmitz an einer Überdosis Schlaftabletten.
In „Vom Schicksal verweht“ verkörpert sie die Ärztin Dr. Virginia Larsen. Gibt sie zunächst noch den Typus der patenten, neusachlichen Frau, verschleiert sich ihr Gesicht zusehends, je mehr Wendungen der Plot nimmt. Auf der Insel wütet die Malaria. Die französischen, englischen oder auch amerikanischen Kolonialbehörden – der Film optiert für eine diffuse Internationalität, statt sich in dieser Frage festzulegen – könnten der Krankheit beikommen, indem sie den Sumpf im Inselinnern trockenlegten. Doch da sind die aufmüpfigen Eingeborenen vor. Deren Anführer, ein Mann namens Je crois en dieu, wird von Louis Brody gespielt, einem der wenigen afrodeutschen Schauspieler, die das Kino der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus kannte.
In den Konflikt hinein tritt Dr. Dos Passos (Albrecht Schoenhals): ein Mann mit Vergangenheit und doppelter Identität. Er hat ein Mittel gegen Malaria, und er beherrscht die Taschenspielertricks, um aus den bösen gute Wilde zu machen. „Vom Schicksal verweht“ legt dadurch nahe: Die besseren Kolonialherren waren die Deutschen. Dass ihnen der Erste Weltkrieg die Territorien in Übersee nahm, ist eine der vielen Ungerechtigkeiten, die die Geschichte an ihnen beging.
Ist dies eine Revision der Vergangenheit, so nimmt die Figur des Dos Passos auf fast unheimliche Art etwas vorweg: Wenn sich dieser fiktive Arzt eine neue Identität schafft, um in Lateinamerika unterzutauchen, bereitet er den Weg für die vielen Nazis, die nach 1945 in Bolivien, Paraguay oder Argentinien eine Heimat fanden. Der Unterschied liegt darin, dass „Vom Schicksal verweht“ fest an die Unschuld seiner Figur glaubt.
CRISTINA NORD
„Vom Schicksal verweht“. Regie: Nunzio Malasomma. Mit Sybille Schmitz, Louis Brody u. a. Deutschland/Italien 1941, 86 Min. Heute Abend mit einer Einführung des Filmkritikers Tobias Nagl im Eiszeit-Kino