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Archiv-Artikel

„Interkulturalität ist urbane Kultur“

Geschäftsführer Andreas Freudenberg findet, dass die Werkstatt der Kulturen zu einem Marketingmoment für Berlin geworden ist – und hat kein Problem damit, dass die meisten sie hauptsächlich als Karnevalsverein wahrnehmen

taz: Herr Freudenberg, seit zehn Jahren gibt es die Werkstatt der Kulturen. Was ist denn in dieser Zeit „repariert“ worden?

Andreas Freudenberg: (lacht) Nichts. Aber Werkstätten sind ja nicht nur zum Reparieren da, sondern es kann auch etwas gebaut, konstruiert, geschaffen werden. Über die Werkstatt der Kulturen ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass es neben den sozialpolitischen Anstrengungen, der Frage der rechtlichen Stellung von Migranten oder dem Zuwanderungsrecht noch einen ganz wichtigen Politikbereich gibt, der viel zu wenig bearbeitet worden ist. Das ist der der Kultur. Darauf hat die Werkstatt der Kulturen immer wieder verwiesen und gleichzeitig versucht, die Diskussionen in Berlin und der Bundesrepublik an die europäischen Diskussionen heranzuführen und zu verflechten.

Die Werkstatt wollte Instrument der Integrationspolitik sein. Hat sich das als politischer Anspruch entwickelt?

Wir versuchen mit unserer konkreten Praxis diesem Anspruch gerecht zu werden. Vor allem in der Form, dass es uns nicht genügt, hier im Haus ein paar nette Veranstaltungen zu machen. Wir müssen uns als ein gut vernetztes Kompetenzzentrum sehen, das versucht, die Impulse, die wir bekommen, immer wieder hinauszutragen. Hinauszutragen, was an Internationalität in Berlin lebt und zu Berlin gehört.

Mit dem Namen der Werkstatt der Kulturen wird vor allem der Karneval der Kulturen verbunden, der als Besuchermagnet jedes Jahr über eine Million Zuschauer anzieht. Tritt die sonstige Arbeit der Werkstatt dadurch nicht in den Hintergrund?

Das ist sicher so. Aber bei einem so fantastischen Projekt sehe ich das nicht als Problem. Wir wollten mit dem Karneval ein anderes Publikum erreichen und die Internationalität dieser Stadt auf der Straße inszenieren. Wenn das in dieser Form gelingt, fällt auch auf uns als Werkstatt noch genügend Licht. Ich habe deshalb kein großes Problem damit, wenn wir bei einem gewissen Publikum in erster Linie als Karnevalsverein wahrgenommen werden.

Der Karneval der Kulturen zeigt nur die bunte Seite der Migrantenszene Berlins. Wird dadurch nicht ein Klischee bedient, das wenig mit der realen Lebenswirklichkeit vieler Migranten zu tun hat?

Nein. Denn diese bunte Realität gibt es genauso. Das Thema Migration und Einwanderung wurde jahrelang in Deutschland sehr negativ emotionalisiert. Die Realität der Bereicherung, der Vielfältigkeit, der Anregung wurde nicht wahrgenommen. Interkulturalität und Internationalität sind inzwischen zu einem Kennzeichen urbaner Kultur geworden. Eine Stadt, die das nicht hat, wirkt provinziell und langweilig. Wenn Berlin das fröhliche und farbige Karnevalsspektakel nicht hätte, dann gäbe es einiges weniger an miterlebbarer Qualität. Diese Seite gibt es eben auch in der Zuwanderungspolitik.

Reden wir über die Zukunft: Wie sieht es mit der Finanzierung aus, wenn dem Senat das Geld endgültig ausgeht?

Es ist eine ganz klare Situation: Die Mittel, die wir jetzt bekommen, reichen nicht, um unsere Fixkosten zu decken, Einsparpotenziale gibt es nicht mehr. Wenn man eine solche Einrichtung will, dann ist hier nichts mehr zu kürzen. Man kann also eigentlich nur noch ja oder nein sagen zu diesem Projekt. Das ist letztlich eine politische Entscheidung. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es sich lohnt, in dieses Projekt zu investieren. Denn wir sind für die Stadt ein Marketingmoment geworden – ich glaube, das rechnet sich langfristig.

Ihr Wunsch für die nächsten zehn Jahre?

Ich wünsche mir, dass Berlin sich zur Werkstatt der Kulturen bekennt und uns nutzt. Dass es uns arbeiten lässt im Sinne einer Öffnung und einer Internationalisierung nach innen. Dass wir als Teil einer Weiter- und Ausgestaltung der Metropole Berlin begriffen werden, hin zu einer neuen Hauptstadt, die aus der Geschichte gelernt hat.

INTERVIEW: SUSANNE AMANN