: „Offiziell gibt‘s mich gar nicht“
Er wollte nie Einzelkämpfer sein, sondern sich einfach nur den Traum von der Unabhängigkeit erfüllen: Peter May, der seit 20 Jahren für den Erhalt seines „Teater Imago“ kämpft, feiert in diesem Jahr ein ambivalentes Jubiläum. Staatliche Unterstützung bekam er nie
von Maren Albertsen
Draußen jagt eine Regenwolke die nächste, es ist nass und kalt. Typisches Hamburger Schmuddelwetter. Zur Stimmung von Peter May passt es. Er gibt sich gar nicht erst Mühe, es sich in seinem Teater Imago gemütlich zu machen. Es ist zwar warm, doch die Lampen bleiben ausgeschaltet. Die wenigen Holzstühle und die kleine Bühne sind nur schemenhaft zu erkennen. Tageslicht, das sich seinen Weg durch das Glas der Eingangstür bahnt, genügt May. Er trägt schwarz. Er sieht aus, als würde er trauern – und dabei hat er ein Jubiläum zu feiern: Diesen Sommer wurde das Teater Imago 20 Jahre.
Wirklich freuen kann May sich darüber nicht. „Denn fast genauso lange kämpfe ich vergeblich um staatliche Förderung und Anerkennung“, klagt er. „Zur Theaternacht wurde ich nicht einmal gefragt, ob ich mitmachen möchte. Offiziell gibt‘s mich anscheinend gar nicht.“ Ob der 21. Geburtstag des Imago noch gefeiert werden kann, ist fraglich. „Ich stehe kurz vor der Pleite“, sagt May resigniert.
Zu wenig Leidenschaft oder Tatendrang kann man ihm nicht vorwerfen: Am kommenden Donnerstag hat bereits sein 35. Stück Premiere: Paris, Texas von Sam Shepard. Es geht um einen Mann, der bei einem Trip durch die Wüste die Weite Amerikas entdeckt. May wird dabei wie in den vorigen Inszenierungen Regisseur, Hauptdarsteller und Bühnenbildner in einem sein. „Und dabei wollte ich nie ein Ein-Mann-Theater werden“, betont er. „Das mache ich allein aus finanziellen Gründen.“
Geboren und aufgewachsen ist May in Wien, wo er auch Unterricht in Schauspiel, Gesang und Ballett nahm. Es folgten Engagements an verschiedenen Bühnen Deutschlands, unter anderen am Berliner Schillertheater. Die Liebe führte ihn schließlich nach Hamburg, wo er zunächst im Operettenhaus auftrat. „Dann kam der Gedanke, sesshaft zu werden und ein eigenes Theater zu gründen. Ich habe davon geträumt, unabhängig zu sein und nur noch das zu spielen, was ich wirklich will.“ Anfang der 80er schien der Traum in Erfüllung zu gehen: Im ehemaligen Klick-Kino im Karoviertel fand May Platz für seine Bühne. Voller Enthusiasmus machte er sich an die ersten Produktionen, wollte gerne ein festes Ensemble aufbauen. „Ich war mir natürlich des finanziellen Risikos bewusst. Ich dachte, es würde klappen.“ Doch schon nach zwei Jahren gab es das vorläufige Aus, weil die Mietkosten zu hoch waren. Eine neue Bleibe fand er in der Admiralitätstraße, wo das Theater bis heute seinen Platz hat. Staatliche Fördermittel blieben trotz zahlreicher Anfragen weiterhin aus. „Ich verstehe diese Ungerechtigkeit nicht“, sagt May. „Andere kleine Theater werden doch auch unterstützt.“
May hat es bisher aus eigener Kraft geschafft. Doch da er als einziger Darsteller ausschließlich Autorenstücke, beispielswiese von Kafka oder Dostojewski, auf die Bühne bringt, hat er oft Schwierigkeiten, die 46 Sitze des Imago zu füllen. „Reine Unterhaltungsstücke sind nun mal nichts für mich.“
Richtig gut ging es dem Imago nur Anfang der 90er Jahre: Mit Hermann Hesses Steppenwolf gelang May ein großer Publikumserfolg, die Existenz des Theaters schien gesichert. „Dann blieben die Zuschauer aber wieder weg, und ich konnte die Miete nicht mehr zahlen.“ Nur mit Hilfe eines „höllischen Spielplans“, bei dem May jeden Monat ein neues Stück zeigt, kann er sein Theater bis jetzt halten: Für das Imago, das sein Leben ausmacht, nimmt er jede Anstrengung auf sich. Natürlich hat er auch schon oft daran gedacht alles hinzuschmeißen, aber er sieht keine Alternativen für sich. „Das ist mein einziger Verdienst, meine einzige Basis. Nur wenn ich auf der Bühne stehe, kann ich alles andere vergessen.“ Während May von vergangenen Stücken oder seinen neuen Projekten erzählt, wirkt er fröhlich. Sobald er auf die ständigen Absagen der Kulturbehörde zu sprechen kommt, ändert sich das. „Ich merke ja selber, dass ich durch die ständige Unsicherheit immer verbitterter werde. Das will ich gar nicht.“ Und so wird er einfach weiterkämpfen, weiterspielen, „bis ich tot umfalle.“
Die neueste Idee, um mehr Leute anzulocken, ist eine Musiknacht, die jeweils Samstags nach der Vorstellung stattfindet. Junge Hamburger Bands sollen die Bühne für erste Auftritte nutzen. Der Name des Projekts lautet – vielleicht auch eine Anspielung auf das Imago und May selbst? – „Local Heroes“.
Premiere von „Paris, Texas: 7.10., 20 Uhr, Admiralitätstraße 71. www.theater-imago.de