: Akademikerrente kränkt Koalitionäre
Fraktionspolitiker sind beleidigt: Rentenministerin Ulla Schmidt hat einfach verkündet, dass Schul- und Hochschulzeiten nicht mehr für die Rente angerechnet werden können. Doch Grüne und SPD-Linke können sich nicht erinnern, gefragt worden zu sein
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Was ist eigentlich genau passiert bei der Rentenklausur der Regierung am Sonntag? Das war gestern umstritten zwischen den rot-grünen Koalitionären, aber auch innerhalb der SPD. Wurde tatsächlich „beschlossen“, die Schul- und Studienzeiten ab 2008 überhaupt nicht mehr bei Neurentnern anzurechnen? Das würde für westdeutsche Ruheständler eine Einbuße von maximal 59 Euro monatlich bedeuten. Momentan werden drei Jahre der beitragsfreien Ausbildungszeiten bei der Rente berücksichtigt. Oder hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nur „über Erwägungen informiert“?
Die Grünen monierten jedenfalls heftig, dass Schmidt sich am Montag einfach vor die Medien gestellt hatte, um neben den kurzfristigen Maßnahmen auch diverse langfristige Entscheidungen zu verkünden, wie der Rentenbeitrag zu stabilisieren sei. Man sei „überrascht“ über dieses Verfahren, lautet nun die grüne Sprachregelung. Am Sonntag habe man nur beschlossen, wie das aktuelle Defizit von acht Milliarden Euro zu decken sei – etwa durch eine Nullrunde oder die reduzierte Schwankungsreserve. Über langfristige Maßnahmen habe Schmidt zwar informiert, aber sie seien noch nicht einmal diskutiert worden.
Empört sind auch die SPD-Linken. Schließlich gab es nach der Rentenklausur im Kanzleramt am Sonntag extra noch eine Parteikonferenz in Berlin, an der etwa 250 Landes- und Bezirksvorsitzende teilnahmen. Diese „wichtigen Multiplikatoren“ (Generalsekretär Olaf Scholz) sollten möglichst schnell informiert werden, damit es gar nicht erst zu parteiinterner Unruhe kommt. Juso-Vorsitzender Niels Annen fragte explizit, was denn nun sei mit den Anrechnungszeiten für Schul- und Hochschuljahre. „Doch da kam nichts“, erinnert sich Andrea Nahles. „Wir waren hinterher fest der Meinung, das Projekt sei gestorben“, sagte sie gestern der taz.
Schmidt bemüht sich, den Konflikt um die Anrechnungszeiten tief zu hängen. „An diesem Punkt scheitert sicher keine Reform“, versicherte sie noch am Dienstag. Gestern allerdings klang ihr Sprecher Klaus Vater wieder entschiedener: Das „Privileg“ der Akademiker werde gestrichen. „Hier wird etwas abgeschafft, was andere nicht haben.“
So denken viele im Bundestag: Warum sollen alle Steuerzahler dafür aufkommen, dass die Akademiker noch mehr Rente bekommen? Die meisten SPD-Abgeordneten scheinen jedenfalls durchaus kürzungswillig zu sein, wie ein erstes Meinungsbild am Dienstagabend ergab. Da waren allerdings schon einige Kritiker gegangen, weil die dreistündige Fraktionssitzung deutlich überzogen wurde. Inzwischen haben sie ihre „Nachbesserungen“ präsentiert: Längere Übergangsfristen soll es geben und eine freiwillige Nachversicherung. Das ist zwar Kritik, aber keine Revolte. Heute Nachmittag trifft sich die SPD-Fraktion zu einer Sondersitzung zum Thema Rente.
Zeitgleich haben auch die grünen Abgeordneten eine Sondersitzung anberaumt.
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