lexikon der globalisierung
: Was bedeutet Schuldentragfähigkeit?

IWF und Weltbank betrachten Auslandsschulden von Entwicklungsländern als tragfähig, wenn zwei Kriterien erfüllt sind: Das Verhältnis der Gesamtschulden zu den Exporterlösen sowie das Verhältnis des Schuldendienstes (Zins- und Tilgungszahlungen) zu Exporterlösen dürfen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Der Grenzwert für die Schuldenquote lag ursprünglich bei 200 bis 250 Prozent der Exporte, der für die Schuldendienstquote bei 20 bis 25 Prozent. Unter anderem wird die Kategorie der Tragfähigkeit dafür verwendet, zu entscheiden ob einem Land Schulden erlassen werden.

Dass diese Grenzwerte politische Bedeutung haben und keiner ökonomischen Logik folgen, zeigt sich daran, dass sie 1999 offiziell auf 150 beziehungsweise 15 bis 20 Prozent gesenkt wurden. Das hätte einen weiter reichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder zur Folge. In der Praxis werden allerdings nach wie vor die höheren Grenzwerte verwendet.

Die Kritik an diesem Konzept bezieht sich zum einen auf die Höhe der Grenzwerte. Westdeutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel nur eine Schuldendienstquote von einem bis drei Prozent zugemutet – also nicht einmal ein Zehntel des aktuellen Wertes für Entwicklungsländer. Zum anderen berücksichtigen diese Zahlen nicht die vielfältigen anderen Faktoren, die mit bestimmen, wie sehr ein Land von seinen Schulden belastet wird.

Außerdem kann der Bezug auf die Exporterlöse als weiteres Druckmittel gegen die verschuldeten Länder verwendet werden: Eine Möglichkeit zur Wiederherstellung der Tragfähigkeit der Schulden, ohne diese zu senken, besteht darin, die Exporte zu steigern. Die Ausfuhren steigen aber oft nur, wenn die Preise gesenkt werden und die Rohstoffe weiter ausgebeutet werden. Die Abhängigkeit von Exporten wird so noch verstärkt.

Ein grundsätzlicher Kritikpunkt an der Arbeit von IWF und Weltbank ist, dass Schuldenerlass bis gerade unter die Tragfähigkeitsgrenze lediglich den Status quo fortsetzt. Das ist bequem für Banken, die regelmäßige Zins- und Tilgungszahlungen erhalten. Für eine eigenständige Entwicklung dieser Länder ist aber finanzieller Spielraum nötig. Letztendlich muss dafür mehr Geld von den reichen Ländern in die armen fließen, als umgekehrt – was bisher angesichts der hohen Zinszahlungen nicht der Fall ist. EVA EBENHÖH

Das Lexikon erscheint immer montags in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat von Attac