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Mautschelle für Steuerzahler

Verträge mit Toll Collect sind öffentlich: Die Verzögerung der Lkw-Gebühr geht fast ausschließlich zu Lasten des Bundeshaushalts. Eine Haftung durch die Industrie ist so gut wie ausgeschlossen

BERLIN taz ■ Die Lkw-Maut wird für den Steuerzahler eine überaus teure Angelegenheit. Das steht seit gestern fest. Nach langem Hin und Her präsentierte Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) den Mautvertrag zwischen Toll Collect und der Regierung im Verkehrsausschuss des Bundestages.

Zwar muss das Maut-Konsortium ab dem 1. Dezember pro Tag, an dem die Lkw-Gebühr nicht erhoben werden kann, 250.000 Euro Vertragsstrafe zahlen. Doch entspricht das pro Monat gerade einmal 7,5 Millionen Euro – gegenüber 160 Millionen Euro, die dem Bund durch die Verzögerung verloren gehen. Da hilft es wenig, dass der Regressanspruch ab 1. März auf 500.000 Euro pro Tag ansteigt. „Das bringt uns in eine sehr kritische Haushaltslage“, schimpfte SPD-Verkehrsexperte Peter Danckert gegenüber der taz. Für das Verkehrsministerium sei der Vertrag ein Desaster. Schadenersatz kann von Toll Collect voraussichtlich nicht gefordert werden, erläuterte der Jurist weiter.

Denn: Sehr großzügig schloss Stolpe-Vorgänger Kurt Bodewig (SPD) im Vertrag eine Haftung aus.Toll Collect kann über die Vertragsstrafe hinaus nur dann zur Kasse gebeten werden, wenn nachgewiesen wird, dass das Unternehmen das satellitengestützte Maut-Erfassungssystem vorsätzlich verzögert hat. Das aber sei unwahrscheinlich, so Danckert. Toll Collect sei sicherlich genauso am planmäßigen Start gelegen wie dem Verkehrsminister. Schließlich habe das Konsortium mittlerweile 500 Millionen in die Technik investiert, aber noch keinen Cent verdient.

Der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt warf dem Konsortium vor, falsche Angaben über den möglichen Startpunkt des Systems gemacht zu haben. In diesem Fall müsste Toll Collect laut Vertrag haften. Das Konsortium wies Schmidts Vorwürfe als „ungeheuerlich“ zurück. Sie dienten wohl nur dazu, eine „unhaltbare Rechtsposition“ zu konstruieren.

Fest steht: Toll Collect hielt gleich mehrere im Vertrag vereinbarte Termine nicht ein: Das System sollte bis 21. Mai diesen Jahres stehen, bis 15. Juni dessen Funktion überprüft sein und bis Mitte August der Probebetrieb laufen. Ab 31. August sollten Brummis über zwölf Tonnen dann pro Autobahnkilometer eine Gebühr von 12,4 Cent zahlen.

Ein neuer Starttermin ist bisher nicht genannt worden. Verkehrsexperten von der Union und der FDP gehen mittlerweile davon aus, dass das System nicht vor dem 1. Juli 2004 einsatzfähig ist. Den Vertrag mit Toll Collect zu kündigen, forderte jedoch kein Parlamentarier. SPD-Mann Danckert sagte: Die Verantwortung für das Desaster müsse noch geklärt werden. HG

wirtschaft und umwelt SEITE 8

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