Gebräu der Hölle

Arabische Woche der Wahrheit: Ein Bericht vom Ölfilmfestival in Damaskus

Ich fuhr meinen Sihdi durch Bab el Hawa, das Tor der Winde, nach Aleppo, von Aleppo nach Qual’ at Sayun, der hohen Burg Saladins, von da nach der Stadt Hama, von Hama nach Tell Nebi Mind bis auf den Gipfel des Djabel Kalomun.

Endlich bei Sonnenuntergang blickten wir in das grün besamtete Tal des nie versiegenden Barada und sahen Damaskus, die Perle des Morgenlandes, Halsband der Schönheit, Blume des Paradieses, Auge der Wüste, Muttermal auf der Wange der Welt. An der Stadtmauer traten uns sogleich die Wächter des Statthalters entgegen:

„Wohin führst du diesen ungläubigen Hund?“, fragte einer. Ich zog meine Stirn in sechs drohende Falten und rief: „Hüte deine Zunge, Sohn eines Dromedars, vor dir steht Hadschi Halef Ben Quasthoff Hadschi Gesundheit Danke Ibn Hadschi Abul Abbas el Alamein en Defahnenstange. Und dies, ihr Männer, ist Kara Ben Kuli, die Zierde der Würger der Worte, Klügster der Klugen, Weisester der Weisen, gesandt von der Zeitung des Tages, um nach Germanistan zu berichten über die Wunder des Festival des Ölfilms zu Damaskus, Perle des Morgenlandes, Halsband der …“ – „Schon gut“, sagten die Wächter und wiesen uns den Weg zum „Cinema“, dessen Fassade leuchtete wie die Schönheit der Jungfrau unter lauter alten Vetteln. Doch schon am Platz der Märtyrer plagte meinen Sihdi großer Durst. „Halef, besorgt mir ein Bier“, sprach Kara Ben Kuli, „sonst muss ich sterben.“ – „Das wirst du, Effendi, wenn ich deinem Willen nachgebe. Das vergorene Getreide gilt dem Muslim als Geschenk Satans, der uns arm an Scham, aber reich an Ränken, auf der Schulter sitzt.“

Da senkte sich das Krummschwert des Grams in sein Gemüt und er sprach kein Wort mit mir, bis wir im Haus des Lichtes anlangten. Dort empfing uns Jury-Präsident Peter O’Toole, den hier alle el-Awrence nennen, und bot uns Plätze an seiner Seite. Im Saal herrschte gähnende Leere. Denn soeben rief der Muezzin, sodass ein jeder, bevor er das Haupt gen Mekka neigte, hinausgeeilt war, sich zu waschen dreimal Hände und Füße, dreimal das Gesicht, einmal den Kopf und spülte dreimal den Mund, wie es der Prophet Mohammed verfügt hat und wie es niedergelegt wurde vom dritten Kalifen Othman.

Der Präsident indes sog an einer ledernen Flasche, bis seine Augen glühten trunken vor Seligkeit. Als ich ihn fragte, was ihn so glücklich mache, lächelte al-Awrence, der die Sitten und Gebote der Araber kennt wie nur einer der Giaurn. „Das ist ein Geschenk Satans.“ Er reichte Kara Ben Kuli die Flasche. „Danke, alter Knabe“, sagte mein Sihdi. Dann setze er an und trank das Gebräu der Hölle aus bis auf den Grund.

Als sich der Vorhang hob, gähnten die beiden, als ob sie die Pyramiden schlucken wollten. Bald schliefen sie fest. Während ihr Schnarchen durch das Kino dröhnte wie das Röhren der Flusspferde im Monat der Brunft, erschien auf der Leinwand das Werk „Burka – The Phantom of the Women“. Die afghanisch-britische Koproduktion (Regie: General Dostum, Musik: Andrew Lloyd Webber) zeigte drei Dutzend Kartoffelsäcke, die Rollschuhe trugen, Katzen quälten und schreckliche Lieder sangen. „Allah, sei mir gnädig“, seufzte ich und vergoss doch bald bittere Tränen. So sehr rührte mein Herz „Der Eunuchenball“, ein Beitrag des jemenitischen Altmeisters Jussuf el Furunk. Mit Handkamera und schwacher Tiefenschärfe schildert er die trostlosen Tage eines schwulen Eunuchen im Harem des Mogulkaisers Aghba. Dann brachte ich meinen Sihdi ins Bett.

Am nächsten Tag besuchten wir das Forum des jungen arabischen Films. Hisbollah-Produktions offerierte „Assassin Akademie – mit einem Bums ins Paradies“ und „Killing Cars“, der Irak schickte „Geiseln Gottes – Kniet nieder und fresst Sand“ ins Rennen. Als wir ankamen, war schon viel Volk versammelt. Es warf sich in den Staub vor einem Mann, der mit Cäsarengruß und gewandet in graue Uniform durch die Menge schritt und sie teilte wie Moses das Meer, ehe es zusammenschlug über den Häuptern der Ägypter. „Kebir Bruno, Imam Adolf“, jubilierten die Menschen und schwenkten Fahnen mit einem Hakenkreuz, das im Altgermanischen „Fyrfos“ heißt. „Siehe, Sihdi, das ist dein Landsmann Bruno Ganz. Man wird ihm den silbernen Ali verleihen, den großen Darstellerpreis des Ölfilmfestivals.“

Zur Feier des Tages veranstaltete der großdeutsche Produzent Bernd „das Boot“ Eichinger ein Fest im Sheraton. Und beim Barte des Propheten: Hier war der Teufel Oberkellner. Mein Sihdi, die Zierde der Würger der Worte, soff wie drei durstige Kamele, während man ihm Mädchen zuführte, mit Schenkeln aus Alabaster und Brüsten so glatt und rund wie Granatäpfel, mit einem Leib, der Moschus aus seinen Fältchen hauchte und wie ein Anemonenbett war. Es war wie im Film. MICHAEL QUASTHOFF