: Leichte Turbulenzen
Buchmessern (1): Heute Nachmittag wird die Frankfurter Buchmesse unter anderemmit einem Vortrag des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfus eröffnet
Die Frankfurter Buchmesse findet zwar immer nur ein paar Tage im Oktober statt und steht da auch im Zentrum medialer Aufmerksamkeit. Doch in diesem Jahr konnte man gut beobachten, dass sie eine Ganzjahresveranstaltung ist, dass unermüdlich an ihr und für sie gearbeitet wird, nicht zuletzt weil es so viel Wirbel im Vorfeld einer Messe lange nicht gab.
Dass die Organisation des arabischen Schwerpunkts eine nicht leichte und skeptisch beäugte Angelegenheit werden würde, war schon bei der Verkündung des Schwerpunkts vor zwei Jahren klar – von wegen Zensur, innerarabischer Querelen und den den Exilschriftstellern gegenüberstehenden Staatsschriftstellern. Immerhin sind jetzt 22 Länder der Arabischen Liga dabei, nur Libyen, Marokko, Algerien, Kuwait und der Irak fehlen offiziell, sind mit Schriftstellern aber trotzdem vertreten.
Dass es ab 2005 auch einen Preis geben wird, den Deutschen Buchpreis, der dem Booker-Prize oder dem Prix Goncourt nachempfunden ist, sorgte zwar eher für Erheiterung im Literaturbetrieb, schließlich ging damit die Abschaffung des unseligen, in Leipzig vergebenen Deutschen Bücherpreises einher. In Leipzig aber wusste man sich zu erregen und organisierte schleunigst einen neuen Preis extra für Leipziger Buchmessen.
Unruhe entstand auch, als es Gerüchte gab, die Buchmesse, die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgerichtet wird, solle von der Frankfurter Messe übernommen werden. Die Gerüchte wurden dementiert, aber seitens der Frankfurter Messe hätte man wohl nichts dagegen. Ihren Sinn hätte diese Übernahme, würde die Messe doch so fest an Frankfurt gebunden und die Diskussionen verstummen, die Buchmesse wegen der hohen Frankfurter Stand- und Hotelmieten in München oder sonst wo auszurichten.
Den meisten Wirbel verursachte aber die Absetzung von Buchmessendirektor Volker Neumann, besser: die Nichtverlängerung seines Vertrages durch den Aufsichtsrat des Börsenvereins. Die Messe 2005 wird seine letzte sein. Neumann fiel aus allen Wolken, und diskutiert wurde, ob der Termin für diese Entscheidung so kurz vor der Messe einer der günstigsten war, zumal ein Nachfolger noch nicht gefunden ist.
So zeugt es gar von Spannung, wie Neumanns Laune heute sein wird bei der offiziellen Eröffnung, zu der sich auch Kanzler Schröder angesagt hat und eine Rede des aus Gesundheitsgründen nicht anwesenden 92-jährigen ägyptischen Autors Nagib Mahfus verlesen wird. Ob Naumann ein paar Seitenhiebe austeilt? Oder führt er gewohnt jovial und erfolgsbewusst durch die Veranstaltung? Immerhin kann er sich ans Revers heften, die Buchmesse stabilisiert zu haben, den weiter zurückgehenden Umsatzzahlen des Buchhandels zum Trotz: Fast 6.700 Aussteller aus 110 Ländern sind da, bei 6.636 im Vorjahr ein leichter, für die Messe aber vorzeigbarer Zuwachs. Nun liegt es in der Natur der Messe, nur Plattform sein zu können – für weitergehende Signale, die Deutschen zum Lesen zu bringen und damit den Buchhandelsumsatz zu steigern, sorgen bekanntlich andere: Frau Heidenreich, Herr Kerner und neuerdings auch Bild.
Pünktlich zur Messe startet die Zeitung zusammen mit der Weltbild-Verlagsgruppe ihre pro Band 4,99 Euro kostende „Bestseller-Bibliothek“ mit Mario Puzos Roman „Der Pate“ – „eine Werbung für das Thema Buch“, wie man bei Bild findet, wogegen nichts spricht. Wie schon bei der SZ-Bibliothek springen Verlage und Buchhandel aber nun nicht vor Freude im Karree: Wer kauft bei dieser Konzentration auf große Namen und bei diesen Preisen noch Neuerscheinungen oder teure Taschenbücher? Wie jedes Buch hat auch diese Bibliothek eine Vorder- und eine Rückseite. GERRIT BARTELS