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Archiv-Artikel

Kirchturm im Wirbelsturm

Anwohner kündigen massenhaft Einwände gegen Verlängerung der Airbus-Werkspiste an: Falsche Angaben im Ausbauantrag. Wirbelschleppen des Riesenjets können Dächer abdecken. Bundestag beschließt Enteigungen durch Lex Airbus

von GERNOT KNÖDLER

Die Nachbarn der Airbus-Fabrik in Finkenwerder haben gestern in Neuenfelde mehrere hundert Einwendungen gegen eine zusätzliche Verlängerung der Werkspiste angekündigt. Die Durchsicht der ausliegenden Planunterlagen hat sie in ihrer Ansicht bestärkt, dass Airbus bereits im ersten Planfeststellungsverfahren zur Werkserweiterung wusste, dass die darin beantragte Piste nicht ausreichen würde. Den Unterlagen zufolge ignoriert die bisher genehmigte Piste außerdem geltende Sicherheitsvorschriften. Überdies zögen die Riesen-Airbusse vom Typ A380, für die das Werk erweitert wird, „unberechenbare Wirbelschleppen“ hinter sich her, die sogar Dächer abdecken könnten.

Diese Luftwirbel wirken wie Orkanböen mit Geschwindigkeiten von 133 Stundenkilometern, argumentiert Kantor Karl-Bernhardin Kropf. Insbesondere die St. Pankratius-Kirche in Neuenfelde mit ihrer Arp-Schnitger-Orgel könne „den maximal auftretenden Windgeschwindigkeiten ausgesetzt werden“, heißt es im vorliegenden Lärmgutachten. Wie real die Gefahr ist, die von den Luftverwirbelungen ausgeht, beweise ein Vorfall aus dem Jahr 2001. Unter den Augen eines Airbus-Mitarbeiters sei zwei Kilometer von der Werkspiste entfernt ein Gartenschirm aus seiner Verankerung gerissen und 20 Meter weit fortgetragen worden.

Wie Mitglieder des Schutzbündnisses für Hamburgs Elbregion mit Hilfe von Obstkisten und Rauchtöpfen demonstrierten, würde die Landebahn durch die neu beantragte Verlängerung bedrohlich nah an Neuenfelde heranrücken. Zu den 589 Metern Pistenverlängerung müssten 270 Meter Sicherheitsabstand gezählt werden, dann noch die Ortsumgehung Finkenwerder, die wohl südlich um den Pistenkopf herumgeführt werde und ein Lärmschutzwall. Entfernung zur Kirche: 200 Meter.

Weil die Flieger nur wenige Meter über Dorf, Kirche und Friedhof Neuenfelde einschweben würden, hat auch die Kirche Protest angekündigt. „Zahlreiche Belange der Kirchengemeinde sind in den Planungsunterlagen nicht erwähnt“, monierte Pastor Ralf Jenett. Hinter den Einwänden der Gemeinde stehe die gesamte Nordelbische Kirche, versicherte der Pastor, der wie die anderen Einwender ankündigte, notfalls klagen zu wollen.

Anwohner Franz-Josef Oberließen beschuldigte Airbus, beim ersten Planfeststellungsverfahren zur Werkserweiterung falsche Angaben gemacht zu haben. Die Flugzeugbauer hätten stets argumentiert, der A380 brauche für den Fall eines Startabbruchs eine Pistenlänge von 2.684 Metern. Das entspricht dem zunächst beantragten Ausbau. In den Unterlagen, mit denen die erneute Verlängerung begründet wird, gestehe Airbus ein, dass der Startpunkt 300 Meter vom Pistenende entfernt liegen müsse. Andernfalls würden Triebwerksabgase die Navigationseinrichtungen am Anfang der Startbahn verbrennen.

Die Gegner des Werksausbaus werfen Airbus vor, die Öffentlichkeit von Anfang an belogen zu haben. Es sei von vornherein klar gewesen, dass der Riesen-Airbus eine Piste mit der jetzt beantragten Länge von mehr als 3.000 Metern benötige. Diese Verlängerung mit der Frachtversion zu begründen sei unredlich, weil diese eine nur unwesentlich längere Piste benötige als die Passagierversion.

Der Bundestag sieht das völlig anders. Er beschloss auf seiner gestrigen Sitzung eine Lex Airbus: Sie ermöglicht Enteignungen auch für Sonderflugplätze, sofern diese dem Gemeinwohl dienlich sind.