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Archiv-Artikel

Hunde an die Macht

Bei Intelligenztests an Tieren brachte Schafbock Wilhelm endlich die Wende

Bald zeigte sich, dass die Erfolge das Lama Helmut hochnäsig und arrogant gemacht hatten

An der Uschi-Nerke-Akademie in Tönningstedt untersuchte die Verhaltensforscherin Selma Klamm über Jahre hinweg die Intelligenz von Tieren – lange Zeit jedoch ohne großen Erfolg. Erst der Schafbock Wilhelm brachte die Wende: Nach 3 Monaten Beobachtungszeit verkündete er plötzlich, dass „Gott in der Natur sei“, er als Teil der Natur somit auch Teil Gottes sei und in diesem Zustand nicht gewillt, weiter an ihren Experimenten teilzunehmen. Anschließend ließ er Selma Klamm einsperren, der er ein unterentwickeltes Denkvermögen attestierte und lediglich die Fähigkeit zuschrieb, ihn mehr schlecht als recht nachzuahmen.

Die Vorstellung, göttlich zu sein, hat Wilhelm immer wieder beschäftigt. So verkündete er 1978 auf dem Friedensfest des Kinderladens Itzehoe: „Gott und ich, wir sind eins.“ Gegen Ende seines Lebens verstieg er sich in den Gedanken, „immerseiend, weder werdend noch vergehend, weder wachsend noch abnehmend“ zu sein. Noch auf dem Sterbebett bestellte er aus Trotz einen Tisch bei Eckart Witzigmann – und zwar für Sylvester 2052. Dann verschied er. Anschließend erhielt er noch ein halbes Jahr lang Rente, bis ein unabhängiges Gremium ihn endgültig für tot erklärte.

Schon in den Siebzigerjahren überraschte das Meerschweinchen Mucki damit, auf das Stichwort „Klopstock“ Gedichte von Heinrich Heine rezitieren zu können. Mucki gelang es anschließend, eine akademische Laufbahn einzuschlagen und 1989 den Doktortitel in „poetisch-anthropologischer Geometrie“ zu machen. Im selben Jahr erlangte es bei der Wahl zum Haustier des Jahres den 2. Platz und erhielt einen Lehrauftrag an der Universität Bayreuth. Nach erfolgreicher Lehrtätigkeit wurde es in eine Kommission der Bundesregierung berufen und veröffentlichte ein „Kochbuch für Kleintiere – und alle, die eins werden wollen“. 2001 verstarb es während einer Vortragsreise in den USA, nicht jedoch ohne den ersten Teil der Weltformel auf einem Zettel notiert zu haben, die mit den Worten „Es ist alles ganz einfach …“ beginnt.

Ganz anders verlief die Laufbahn des Lamas „Helmut“. Schon mit zwei Jahren hatte es einen Intelligenztest mit Sartre, Uschi Glas und den Bee Gees gewonnen und den Widerspruch zwischen Empirismus und Rationalismus überwunden, und zwar nur durch Scharren seiner Hufe. Anschließend veröffentlichte es auf dieselbe Art das Gesamtwerk Dostojewskis als Hörspiel. Doch bald zeigte sich, dass diese Erfolge es hochnäsig und arrogant gemacht hatten. Ja, man sprach später davon, es habe die Toleranz eines Müntefering und die soziale Kompetenz von Friedrich Merz besessen. Und die Aufnahmeprüfung an der Akademie für hochbegabte Wiederkäuer 1981 in Bad Ems machte es schon gar nicht mit. Stattdessen suchte es schnellen Erfolg mit belgischen Stimmungsschlagern („Hoitje haut wi uff de Paukje unt wi machet dorch bis morjen frii“), nachdem es eine Woche lang entzündeten Nagellack inhaliert hatte. 1987 veröffentlichte es die Parabel „Im Möbelcenter“, eine Adaption von Kafkas „Vor dem Gesetz“: Dieses Mal wird der Mann vom Türhüter in das Gebäude eingelassen, findet jedoch nicht wieder heraus. Stattdessen richtet er sich im Wohnzimmer „Midsommer-Magik“ ein und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Lachssteak auf grünen Nudeln. Helmut arbeitet heute als Nachrichtenredakteur bei RTL 2, wo er im Moment damit beschäftigt ist, den Hund von Gerhard Schröder zu interviewen. Aber Borderterrier Holly antwortet nicht, will er doch 2006 Kanzler werden. Herrchen Schröder dagegen nimmt regelmäßig an den Intelligenztests der Uschi-Nerke-Akademie teil – leider erfolglos.

JAN ULLRICH