piwik no script img

Archiv-Artikel

erhitzte gemüter Pro & contra Reli

Es geht heiß her im Pfefferwerk. Kein Wunder, geht es doch um große Worte wie Religion, Fundamentalismus, Toleranz, Verantwortung. Als ein Zusammenhang zwischen fehlendem Religionsunterricht und den Unruhen in den französischen Banlieues gezogen wird, werden die Wangen der Zuhörer noch röter. „Polemik“, ruft eine zierliche Frau aus dem Publikum. „Das sind richtige Brandreden“, sagt ein anderer. Aber auch verhaltenes Nicken erntet der provozierende Beitrag.

Die 70 Zuhörer der Podiumsdiskussion „Ethik für alle – Glaube wer will?“, die die Grünen am Mittwochabend in Prenzlauer Berg veranstalteten, sind sich uneins. Es geht um den am 26. April stattfindenden Volksentscheid über das Wahlpflichtfach Ethik/Religion. Die Initiative „Pro Reli“ will damit durchsetzen, dass Berliner Schüler zwischen dem derzeitigen Pflichtfach Ethik und Religion wählen können. Bisher ist Religionsunterricht nur ein Zusatzangebot.

Nicht nur im Publikum, auch auf dem Podium wird um die richtige Position gerungen. Es diskutieren Pro-Reli-Initiator Christoph Lehmann, Religionsforscher Rolf Schieder (Pro Reli mit Abstrichen), Ethikprofessor Michael Bongardt (Pro Ethik mit punktueller Pro-Reli-Sympathie), Manfred Zimmermann aus der Senatsbildungsverwaltung (Pro Ethik), der grüne Direktkandidat im Wahlkreis Pankow Heiko Thomas (Pro Ethik) und Enis Wilmesmeier vom Landesschülerausschuss (Pro Ethik mit Optimierungsansatz).

Im Publikum sitzt Axel-Werner Sauerteig, der 49-Jährige ist noch unschlüssig, was er wählen wird. „Ich bin hin und her gerissen. Ich habe vier Kinder und fühle die Verantwortung zu entscheiden.“ Er nahm am Ethikunterricht einer seiner Töchter teil. „Das hat mich aber nicht überzeugt. Jeder sagte etwas, und das war es dann.“ Annelie Wegener hat ihre Entscheidung getroffen: Sie will gegen den Volksentscheid stimmen. „Hier sollen Privilegien gesichert werden, die der Berliner Bevölkerung nicht entsprechen – immerhin leben hier 42 Prozent Migrantenkinder“, argumentiert die 56-Jährige.

Auch der grüne Veranstalter hat keine Einheitsmeinung: Die AG Bündnisgrüner ChristInnen unterstützt entgegen der Mehrheitsmeinung ihrer Partei Pro Reli. Etwa Giesela Hagenguth: Die 70-Jährige besuchte in den 50ern den Religionsunterricht an einer Oberschule in Ostberlin. „Bis uns das diktatorische Regime aus der Schule jagte.“ Sie wird Pro Reli ihre Stimme geben. ALEXANDRA KUNZE