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Archiv-Artikel

EU diskutiert über Migration und Asyl

Der künftige Kommissar für Migrationsfragen, Buttiglione, will die Politik seines Amtsvorgängers fortsetzen. Er setzt sich von Schilys Vorschlägen ab. Für die EU geht es kurzfristig um Lager für Asyl in Nordafrika, nicht in der Union

BRÜSSEL taz ■ Der künftig für Migrationsfragen zuständige italienische EU-Kommissar Rocco Buttiglione will die Arbeit im Sinne seines beliebten Vorgängers Antonio Vitorino weiterführen. „Wir müssen darauf aufbauen. Wir brauchen ein einheitliches Asylkonzept. Und Einwanderer müssen in Europa eine klare Perspektive haben und innerhalb eines vernünftigen Zeitraums die Staatsbürgerschaft erlangen können“, sagte Buttiglione gestern im Europaparlament.

Angesprochen von einem Abgeordneten der Linksfraktion auf die „Massendeportation von Flüchtlingen aus Lampedusa“ sagte Buttiglione, nach seinen Informationen seien die 252 Flüchtlinge, die einen Asylantrag hätten stellen wollen, in ein Aufnahmezentrum gebracht worden. Die anderen seien zurückgeschickt worden. „Das Verhalten aller, die auf Lampedusa tätig sind, ist vorbildhaft. Sollte den Menschen das Recht auf einen Asylantrag verweigert werden, bin ich der Erste, der das kritisieren würde.“ Buttiglione widersprach Meldungen, er habe sich für den von Otto Schily aufgebrachten Vorschlag ausgesprochen, in Nordafrika externe europäische Asylbewerberlager einzurichten. „Die souveränen Staaten auf der anderen Seite des Mittelmeers würden solche Lager gar nicht zulassen“, erklärte der Italiener.

Vielmehr müssten Außenpolitik, Entwicklungshilfe und Flüchtlingspolitik künftig im Zusammenhang betrachtet werden. „Wenn wir die Menschen zurückschicken, müssen wir entsprechende Lebensbedingungen dort schaffen. In der Sahelzone zum Beispiel kann man kein menschenwürdiges Leben führen.“

Am Vortag hatte der noch amtierende Kommissar Antonio Vitorino die Beschlüsse des EU-Innenministerrates vom Freitag noch einmal klargestellt. Meldungen, wonach in mehreren nordafrikanischen Staaten Auffanglager, wie vom deutschen Innenminister gefordert, in einem Pilotprojekt eingerichtet würden, seien unkorrekt. Er sei gar nicht gegen diesen Plan. Zuvor müsste aber geklärt sein, in welchem rechtlichen Rahmen ein derartiges Vorhaben ablaufen könne. Das sei nur mittelfristig möglich.

„Aber wir müssen auch kurzfristig etwas unternehmen“, sagte Vitorino in einer leidenschaftlichen Rede vor Vertretern von europäischen Menschenrechtsorganisationen. Deshalb sollten in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshochkommissar Lager aufgebaut werden, in denen diejenigen betreut würden, die in Nordafrika Asyl suchen wollten. Länder wie Libyen oder Tunesien, die früher selbst Herkunftsländer von Flüchtlingen gewesen seien, würden zunehmen zu Durchreise- oder gar Zielländern für Hilfesuchende. Noch aus dem EU-Budget dieses Jahres solle ein Maßnahmenpaket finanziert werden, das die Ausbildung von Beamten, Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung und bessere Rahmenbedingungen für Asylbewerber umfassen solle.

Diederik Kramers, der Brüsseler Vertreter des UN-Flüchtlingshochkommissars, sagte der taz hingegen, das UNHCR werde sich an derartigen Auffanglagern nicht beteiligen. Die Zusammenarbeit beziehe sich ausschließlich auf die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen in den nordafrikanischen Staaten Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien. Für ein Pilotprojekt stünde eine Million Euro zur Verfügung, von der 80 Prozent die Kommission, 20 Prozent die amtierende niederländische Ratspräsidentschaft übernehme.

DANIELA WEINGÄRTNER