: CDU-Fußfessel gegen SPD-Traditionalisten
Kommunalwahl in Brandenburg: Die CDU gibt sich als Macher, die SPD redet von früher. Die PDS schimpft auf beide
BERLIN/BRANDENBURG taz ■ Die SPD schwärmt von früher, die CDU poltert in der Gegenwart, und die PDS meckert über beide. Die drei Parteien im Brandenburger Landtag machen noch einmal Stimmung – am Sonntag ist Kommunalwahl. Zwei Millionen Menschen bestimmen neue Gemeindevertretungen, Bürgermeister und Kreistage. Die CDU will 30 Prozent plus x, 10 Prozent mehr als bei der Wahl 1998. Ihr Chef, Jörg Schönbohm, versucht mit Durchgreifparolen zu punkten, und fordert eine Fußfessel für Schulschwänzer. „Jeder dritte neigt zu Straftaten“, sagt der Innenminister der großen Koalition zur Begründung. Auch sonst gibt sich Schönbohm gewohnt hart. Der Exgeneral ist für das Bombodrom bei Rheinsberg und hält die Lebenserfahrung der DDR-Bürger für unnütz.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) schrieb dagegen in der Märkischen Allgemeinen über das Gute in der DDR: das Gesundheitswesen, die Bildung. Er wolle die DDR nicht zurück, aber auch „kein modernes Brandenburg ohne Traditionen. Menschen vertragen nicht beliebig viel Wandel.“ Ein Wunsch. Seit 13 Jahren regiert die SPD. Zuerst mit FDP und Bündnis 90, dann allein, seit vier Jahren mit der Union. Bei den letzten Kommunalwahlen kam die SPD noch auf 39 Prozent. Die CDU hatte in Manfred Stolpes „kleiner DDR“ wenig Chancen. Doch dann floppten CargoLifter und Lausitzring, blieb die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) ein Versprechen. Nirgendwo stieg die Arbeitslosigkeit so stark. Junge gehen, man hat 15 Milliarden Schulden. Was nützt es Platzeck, dass EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt erfolgreich ist. Die Probleme werden vor allem der ewig regierenden SPD angelastet. Juniorpartner Schönbohm setzte wenigstens die längst fällige Kommunalgebietsreform durch. Viele Gemeinden protestierten, aber der CDU-Innenminister gilt als Macher.
Dagegen versucht sich die PDS als Volkspartei zu beweisen. Mehr als 20 Prozent sind das Ziel, dafür schimpft man auf SPD und CDU. „Völlig am realen Leben vorbei“ nennt Landeschef Ralf Christoffers Platzecks Traditionsthesen. Schönbohms Fußfessel-Vorschlag sei „total absurd.“
Blass und gehetzt sieht Platzeck aus, als er in Brandenburg an der Havel spricht. Seit 13 Jahren regiert auch hier die SPD, ein neuer Oberbürgermeister wird gewählt. Helmut Schmidt ist im Sommer nach einem Jahr im Amt zurückgetreten. Ärztliche Diagnose: Burn-out-Syndrom. Platzeck redet über das, was Brandenburg alles geschafft habe. Danach spricht SPD-OB-Kandidat Norbert Langerwisch. Über den Stolz, von hier zu sein. Auch darauf, dass das Loch jetzt zu sei. Eine riesige Baugrube klaffte seit 1995 im Zentrum der Stadt. Acht Jahre stritten SPD und Baufirma, was dorthin sollte. Dietlind Tiemann machte das Loch in diesem Sommer einfach zu. Die Bauunternehmerin ist OB-Kandidatin der CDU. DANIEL SCHULZ