: berliner szenen Trinken mit Models
Stulpen und Boote
Models, die im Durchschnitt so viel wiegen wie all meine Amalgam-Füllungen zusammen, sind ungewöhnliche Menschen. Manchmal werden sie Supermodels, ganz ohne besondere Superkräfte wie Röntgenblick oder Spinnennetze aus den Händen schleudern. Manchmal werden sie auch einfach nur drogenabhängig oder Schauspielerin.
Beim Moët & Chandon Fashion Debut kürzlich quetschte ich mich an einer der Champagnerbars neben zwei, die sich grün-violett-blaue Augenschatten bis hin zum Wangenknochen geschminkt hatten und mit ihren wirren Haaren aussahen wie misshandelte Gespenster. Sie unterhielten sich über Schuhgrößen, und da das fast mein einziges Modelfeature ist, mischte ich mich freundlich ein und prahlte: „Aber ich habe auch 41, und das bei immerhin nur 1,71 m!“ Die Models waren beeindruckt. Ich zeigte meine Füße und schüttelte die Anekdote aus dem Ärmel, wie mal ein Schuhverkäufer zu mir gesagt hatte: „Dieses Model in 41? Aber da sehen die doch aus wie riesige Boote!“ Die Models kicherten und prosteten sich über meinen Kopf hinweg zu.
Fast war ich versucht, leutselig „Was macht ihr denn jetzt noch, Mädels?“ zu fragen, doch mir fiel ein, dass ich ja gar kein schleimiger Großmagnat bin, der sich aus Imagepoliergründen mit Gazellen umgeben muss. Stattdessen erzählte ich, was mich ein anscheinend nur aus Dünne-Mädchen-Anguck-Gründen anwesender Modebanause angesichts der elegant ausgestanzten und bunt unterlegten Kollektionen gefragt hatte: „Würden SIE das tragen?“ Blöde Frage. Bin ich ein Supermodel oder was? Ich wette um die Strickstulpen der Wollkollektion, dass so einer im Moderne-Kunst-Museum vor dem Barnett-Newman-Bild auch sagt: „Das kann ja jeder!“ JENNI ZYLKA