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Archiv-Artikel

MATTHIAS URBACH über DER PEFEKTE KAUF Und vorn posiert ein blondes Weib

Neue Kolumne „Der perfekte Kauf“: Gibt es eine Fernsehprogrammzeitschrift, die man kaufen will?

Matthias Urbach strebt hier alle 14 Tage den „perfekten Kauf“ an.

Notstand spätabends vor meinem 40-cm-Philips. Ich brauche einen Film, doch die taz verweigert neuerdings die Auskunft. Meine Nachbarin Karola hatte schon geschlafen, borgt mir aber gnädig ihre HörZu.

Großes Hallo, als ich meine Beute tags drauf in unsere italienische taz-Kantine trage. TV-Zeitschriften sind jetzt ein großes Thema, und der Medienredakteur kettet seine lieber an.

Alle Kollegen am Mittagstisch sind mit Mecki aufgewachsen. Und tatsächlich: Der öde Igel scherzt noch immer auf der letzten Seite des einstigen Marktführers aus dem Hause Springer. Das waren Zeiten, als meine Eltern die Zeitschrift noch auf dem Wohnzimmertisch deponierten. Nach vielen Jahren schreite ich zum Kiosk, um auf eigenen Füßen zu stehen.

Die zwei Regalmeter Fernsehen sind leicht zu finden. TV-Zeitschriften sind eher himmelblau, und vorn posiert ein blondes Weib („schön, sexy, talentiert“). Augäpfel und Zähne sind zum Erbrechen geweißt, die Haut mit Photoshop blank poliert wie ein Babypopo, so dass man stundenlang rätseln kann, um wen es sich handelt. Sanft bäumt sich die gute alte HörZu auf: Ihre Schöne ist dunkelhaarig (siehe oben). TV-Sünde versucht verzweifelt, den eigenen unique selling point zu illustrieren – und scheitert mit Gina Wild.

Im Osten gab’s F.F.-dabei und war oft vergriffen: Papierrationierung. Im Kiosk wünsche ich mir für eine schwache Sekunde auch etwas Planwirtschaft. Hier muss ich wählen: „Darf es ein-, zwei-, drei- oder vierwöchiges Erscheinen sein“, fragt die Verkäuferin. Ich greife acht Exemplare von 70 Cent bis 1 Euro 45.

Auf meinem Büroschreibtisch breite ich die Beute aus und blättere. Interessanterweise sind die Tagestipps recht einheitlich: Am Samstag empfehlen fast alle „Anatomie“ auf Pro 7 um 22 Uhr 10. Am Sonntag entweder die RTL-Produktion „Gladiator“ um 20 Uhr 15 oder „Die purpurnen Flüsse“ zur selben Zeit auf Pro 7. Das gilt auch für die kleinen Servicemaschen: „Wochenhighlights“, „Quickfinder“ und „Serientipps“.

Hat es der eine, äffen es alle nach. Trotzdem: Die Einwöcher TV klar und TV neu zu je 70 Cent sind bieder und unübersichtlich. Fort damit. Der einzige Vierwöcher im Test, tv pur, ist schlicht und übersichtlich und kostet 1 Euro 20. Doch ein Monatsrhythmus torpediert die Nachrichtensicherheit: Häufig werden Filme prognostiziert, die der Sender längst wieder aus dem Programm geworfen hat.

Dröge und vor allem schlampig gedruckt ist tv14, die mit ihrem billigen 90 Cent für zwei Wochen Programm mittlerweile Marktführer ist. Ich konzentriere mich auf die vermeintliche Qualitätsware: Seit Jahren fighten TV Spielfilm, TV Movie und schließlich TV Today (wenn auch nur halb so erfolgreich) mit teuren Titelmodels, ausführlichem redaktionellen Teil und fünf Seiten Spielfilmkritiken täglich erbittert um die Käufer: Das kostet 1 Euro 40 oder 1 Euro 45.

Geht es um Hollywood und deutsches Kino, sind die drei praktisch identisch. Freunde kleinerer deutscher Produktionen sollten aber TV Movie meiden. Entweder ist der Film „viel zu langsam“, „überkonstruiert“ oder „verkopft“. Alle anderen empfehlen die Streifen. Als Vater würde ich TV Today der TV Spielfilm vorziehen: wegen der Altersempfehlungen im Kinderprogramm. Aber regelmäßig kaufen? Bei 219 Seiten blättere ich ewig, bis ich den richtigen Tag gefunden habe. Beim Aufschlagen öffnet man unwillkürlich stets die Seiten, in die dicke Werbung eingeheftet ist. TV Spielfilm bringt es gar auf 278 Seiten. Auch die vielen Promogeschichten nerven; etwa wenn TV Today die Gladiatoren-Soße von RTL (gehört zum selben Konzern) hypet.

Was tun? Ich erinnere mich an den stern, überlasse mein Recherchematerial den lungernden Kollegen – und spaziere zum Kiosk. Erstmals kaufe ich das Magazin nur wegen der Programmbeilage: Vom Titel seines sechzigseitigen stern-tv-magazins schaut mich ein angezogener Mann an. Das Supplement ist schlicht, werbefrei und beschränkt sich auf täglich acht, neun Tipps auf einer Doppelseite. Statt dumpfer Promo und Inhaltsnachbeterei kriege ich ironische Distanz. Würde das stern-Supplement für den halben stern-Preis am Kiosk liegen, es wäre der perfekte Kauf. Dafür nähme ich sogar einen blonden Titel in Kauf. So aber erinnert mich der ungelesene stern auf dem Klo daran, dass 2 Euro 50 für einen Einwöcher viel Geld sind.

Fazit: Wer sich’s leisten kann, kaufe stern TV. Die anderen wühlen sich am besten durch TV Today oder TV Spielfilm.

Fragen zum taz-Warentest? kolumne@taz.deDienstag: Jenni Zylka über Sex und Lügen