Der Lord ist eine Lady

Die Perückengegnerin Hale, laut „Daily Mail“ eine „gefährliche Feministin“, wird erste oberste Richterin der Briten

In den „Gentlemen’s Club“ zieht eine Lady ein. Dame Brenda Hale wurde gestern von der britischen Regierung zur „Lordrichterin“ ernannt und heißt Lady Hale, wenn sie ihr Amt im Januar antritt. Bisher waren die zwölf höchsten juristischen Posten Männern vorbehalten. Lediglich das Familiengericht hatte mit Elizabeth Butler-Sloss eine Präsidentin.

Die 58-jährige Hale studierte an der Universität Cambridge, doch während ihre elf männlichen Kollegen nach dem Studium jahrelang im Gerichtssaal arbeiteten, lehrte sie Jura an der Universität Manchester, wo sie sich auch habilitierte.

1984 wurde sie in die Rechtskommission aufgenommen, die für Gesetzesreformen zuständig ist. Damals hieß sie noch Brenda Hoggett, doch nach ihrer Scheidung Ende der Achtzigerjahre nahm sie wieder ihren Geburtsnamen an. 1992 heiratete sie Julian Ferrand, einen Gastprofessor an der Londoner Metropolitan University. Ein Jahr später wurde sie Richterin am Familiengericht.

Hale hat stets für Unruhe in der männlich dominierten britischen Justiz gesorgt. So setzte sie die Reform des Scheidungsrechts durch, doch die Regierung zog in letzter Sekunde das Gesetz zur Ehescheidungen ohne Schuldzuweisung zurück. Die Daily Mail fragte damals, warum ausgerechnet „eine gefährliche Feministin“ für die Reform der Ehegesetze zuständig sei.

Hale findet: „Es ist wichtig, dass die Richterschaft nicht weniger repräsentativ für das Volk ist, als es die Politik oder das Beamtentum ist, von denen wir regiert werden“, sagte sie. „Wir sind schließlich das Instrument, das die anderen Staatsorgane wie die Polizei kontrolliert. Die Justiz ist oder sollte zumindest unabhängig von Regierung und Parlament sein, aber wir sind das Verbindungsglied zwischen beiden und dem Volk.“

Hale kritisierte vorigen Monat die Aufenthaltsräume der Richter als „Herrenclubs“. Von Frauen erwarte man dort, dass sie sich nach dem Dinner zurückziehen, damit die Männer ungestört plaudern können. Den Gefallen habe sie ihnen aber nicht getan, sagte sie. Außerdem wehrte sie sich gegen die Pferdehaarperücken, die sowohl Richter und Richterinnen als auch Anwälte und Anwältinnen tragen müssen. „Diese Perücken sind männlich und maskulin“, sagte sie. „Sie nehmen Frauen die Weiblichkeit und machen uns alle zu Männern.“ Katherine Rake von der Fawcett Society, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt, begrüßte Hales Ernennung zur obersten Richerin. „Sie ist längst überfällig“, sagte sie. „Großbritannien hinkt anderen Ländern hinterher, wenn es um Frauen in den höchsten juristischen Ämtern geht. Auch nach dieser Ernennung bleibt das House of Lords extrem unrepräsentativ: Unter den zwölf höchsten Richtern des Landes ist nur eine Frau, Richter aus den ethnischen Minderheiten fehlen völlig. Das muss sich so schnell wie möglich ändern, damit das Oberhaus ein legitimes Gremium in einer modernen Gesellschaft wird.“ RALF SOTSCHECK