: Rettung mit Einheitslohn
Die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen sorgt für Zündstoff. Unternehmen und einige Gewerkschaften lehnen sie ab. Andere sehen darin eine Chance, den freien Fall der Löhne zu stoppen
VON RICHARD ROTHER
Für die Unternehmer wären sie eine „Katastrophe“, und sogar bei den Gewerkschaften sind sie heiß umstritten: die gesetzlichen Mindestlöhne. Für die einen wären sie Jobkiller, für die anderen ein Instrument, den freien Fall der Löhne zu stoppen – gerade in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit wie in Berlin. Starke Gewerkschaften wie die IG Metall hingegen fürchten um die Tarifautonomie. Die rot-grüne Koalition und Gewerkschaften diskutieren zurzeit die Einführung von Mindestlöhnen – und sorgen damit für Zündstoff, auch in Berlin.
„Wir lehnen die Einführung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes ab“, so der Berliner IG-Metall-Sprecher Klaus Wosilowski. Dieser bedeute eine Aushöhlung der Tarifautonomie, nach der Unternehmerverbände und Gewerkschaften sich in branchenbezogenen Tarifverhandlungen auf Löhne und Gehalt einigen. Die Metaller plädieren für einen Mindestlohn, der je nach Branche die niedrigsten Tariflöhne für verbindlich erklärt.
Ein gesetzlicher Mindestlohn könnte, so eine Befürchtung, die Gewerkschaften überflüssig machen. Und letztlich die Löhne drücken. Kaum ein Unternehmer würde wohl, wie in Frankreich, für einfache Jobs mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Im teuren Frankreich beträgt er immerhin 7,57 Euro pro Stunde – mehr als in manch kleinem Berliner Unternehmen.
Die Befürchtung weist Ver.di-Einzelhandelsexperte Achim Neumann ohnehin zurück. Unabhängig vom Mindestlohn könnten die Gewerkschaften auch höhere Löhne durchsetzen. „Aber es muss nach unten gedeckelt werden.“ Wenn immer weniger Beschäftigte überhaupt tarifvertraglich geregelten Bedingungen unterlägen, müsse der Gesetzgeber eingreifen. „Wir argumentieren aus einer Position der relativen Schwäche“, räumt Neumann ein. Er fordert einen Mindestlohn für die gesamte Dienstleistungsbranche.
Davon wollen die Unternehmer der Branche gar nichts wissen. „Gesetzliche Mindestlöhne lehnen wir ab, weil sie einen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen“, so Klaus Fischer vom Berliner Einzelhandelsverband. Ein Nebeneinander von gesetzlichen Mindest- und Tariflöhnen könne es nicht geben.
Eine Regelung nach dem Vorschlag der IG Metall wäre eine Katastrophe, wettert Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Bundesweit würden über 2 Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Man könne über einen gesetzlichen Mindestlohn nachdenken, aber er dürfte nicht oberhalb der Sozialhilfe liegen, so Hundt.