MERKEL WIRD DEN STREIT MIT DER CSU NICHT UNBESCHADET ÜBERSTEHEN
: Ein bisschen Kopfpauschale

Angela Merkel macht, was sie am liebsten macht, wenn sie mit ihren Rivalen über Kreuz liegt. Edmund Stoiber mag in München quer schießen, wie er will. Ab heute tingelt die CDU-Chefin durchs Land, um auf so genannten Regionalkonferenzen für sich und ihre Politik zu werben. Diese Methode, in schwierigen Zeiten Parteivolksnähe zu demonstrieren, hat sich bewährt: So kam Merkel vor vier Jahren ins Amt und so hat sie die CDU vor einem Jahr erstaunlich schnell für ihr damals neues Reformkonzept samt Kopfpauschalen begeistert. Auch diesmal wird es viel Jubel für die Chefin geben. Bei den einfachen Mitgliedern ist Merkel nach wie vor beliebt. Man dankt ihr immer noch, dass sie die CDU aus dem Spendensumpf zu neuer Stärke führte. Von den Landesfürsten wird es deshalb kaum jemand wagen, ausgerechnet auf diesen Parteiversammlungen den Aufstand zu proben.

So harmonisch die Ausflüge in die CDU-Provinz auch verlaufen mögen: Sie sind Kokolores, die ihr Hauptproblem nicht überdecken können. Noch so viel Beifall von der Basis wird Merkel diesmal wenig helfen. Denn diesmal geht es ja nicht darum, die eigene CDU zu überzeugen. Merkels eigentliches Problem ist und bleibt der Streit mit der CSU um die künftige Gesundheitspolitik der Union, also um Kopfpauschalen ja oder nein. Und da steht die CDU-Chefin vor der Quadratur des Kreises. Egal, wofür sie sich entscheidet: Ohne gravierende Blessuren kommt Merkel nicht davon.

Bleibt sie knallhart auf Kopfpauschalen-Linie, wird sie zwar viel Lob für ihre Standfestigkeit bekommen – und wahrscheinlich auch die Zustimmung des CDU-Parteitags im Dezember. Doch der Konflikt mit der CSU würde eskalieren, und selbst wenn sie sich tatsächlich gegen Stoiber durchsetzt: Im Wahlkampf 2006 fiele es Rot-Grün leicht, Merkel als brutalstmögliche Alternative zu bekämpfen. Keine schönen Aussichten in einem reformmüden Land. Gibt sie aber nach, ist sie blamiert. Die Kopfpauschale war ihre Idee, ihr Konzept. Ein bisschen Kopfpauschale, wie es Stoiber jetzt vorschlägt, ist wie ein bisschen schwanger. Trotzdem wird es einen Kompromiss geben müssen. Gut möglich, dass diesen 2006 dann andere als Merkel verkaufen werden. LUKAS WALLRAFF