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Archiv-Artikel

Papier macht noch keine Praxis

Rund 90 Prozent aller Mietverträge enthalten unwirksame Klauseln. Sie verstoßen gegen zwingendes Recht oder benachteiligen die Mieter unangemessen. Im Zweifelsfall sollte ein Rechtsberater hinzugezogen werden

RATGEBER

Informationen zu Mietvertrag und unwirksamen Klauseln gibt es unter anderem beim Deutschen Mieterbund: www.mieterbund.de, beim Berliner Mieterverein: www.berliner-mieterverein.de und bei der Berliner Mietergemeinschaft: www.bmgev.de. KS

VON KRISTINA SIMONS

Rund 20 Seiten und eine Flut von Klauseln: Mietverträge sind bisweilen eine Wissenschaft für sich. Der Deutsche Mieterbund (DMB) geht davon aus, dass rund 90 Prozent aller Mietverträge unwirksame Bestimmungen beinhalten. „Dies betrifft in erster Linie Regelungen zu Schönheitsreparaturen, aber natürlich auch Fragen zur Tierhaltung, zu Kündigungsfristen und anderem“, sagt DMB-Sprecher Ulrich Ropertz. Dahinter steckt oft keine böse Absicht. „Der Bundesgerichtshof hat in den vergangenen Jahren gerade zu den Schönheitsreparaturen viele Urteile gefällt“, so Ropertz, „und es können ja nicht ständig die alten Mietverträge entsprechend geändert werden.“ Auch das Verbot, Tiere in der Wohnung zu halten, sei erst vor einigen Jahren aufgehoben worden. „Kleintiere sind immer erlaubt – ganz egal, was im Mietvertrag steht.“

Es gibt zwei Gründe, warum eine Klausel unwirksam ist: Sie verstößt gegen zwingendes Recht oder benachteiligt den Mieter unangemessen. Unwirksam ist deshalb zum Beispiel die Regelung, dass der Mieter die Wohnung bei Auszug fachgerecht renoviert zurückgeben muss. „Das darf man so pauschal nicht sagen, da es Mieter gibt, die schon nach einem halben Jahr wieder ausziehen“, erklärt Ropertz.

Genauso wenig wirksam sind Klauseln mit starren Renovierungsfristen, wonach der Mieter immer nach drei, fünf oder sieben Jahren renovieren muss. Enthält ein Mietvertrag derartige Regelungen, braucht der Mieter nach Meinung des DMB weder vor noch beim Auszug zu renovieren.

Viele Mietverträge enthalten sogenannte Kleinreparaturklauseln, die Mieter dazu verpflichten, für kleine Instandhaltungen anteilig oder sogar ganz aufzukommen. Damit diese Regelung gültig ist, müssen im Vertrag genaue Beschränkungen definiert sein: Grundsätzlich muss es sich um reparaturbedürftige Gegenstände handeln, die dem direkten und häufigen Zugriff des Mieters unterliegen, also zum Beispiel um einen tropfenden Wasserhahn. Eine Reparatur darf laut DMB zudem maximal 75 Euro kosten. Ist sie teurer, muss der Vermieter sie komplett selbst zahlen. Schließlich muss eine Obergrenze genannt werden für alle Reparaturen innerhalb eines Jahres. Sie liegt bei 150 bis 200 Euro beziehungsweise 8 Prozent der Jahresmiete.

Auch die Kündigungsfristen sind zum Teil unwirksam. Keine Gültigkeit haben Regelungen, wonach die Kündigungsfrist des Mieters von der Wohndauer abhängig ist und zwischen drei und zwölf Monaten schwankt. „Seit der Mietrechtsreform 2001 gilt: Mieter können einen unbefristeten Mietvertrag immer mit Dreimonatsfrist kündigen“, so Ropertz.

„Nur für Vermieter gelten gestaffelte Kündigungsfristen, abhängig von der Wohndauer des Mieters.“ Doch Vorsicht: Ein gültiger Zeitmietvertrag kann während der Laufzeit weder vom Mieter noch vom Vermieter durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. Beide Seiten können nur unter gesetzlich definierten Bedingungen wie einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Vermieters oder einer gesundheitlichen Gefährdung außerordentlich kündigen.

Gültig sind seit 2001 übrigens nur noch qualifizierte Zeitmietverträge. Sie enthalten vom Gesetzgeber anerkannte Gründe für die Befristung wie zum Beispiel Eigenbedarf. Unwirksam sind dagegen einfache Zeitmietverträge, in denen es beispielsweise lediglich heißt: „Die Mietzeit beginnt am 1. 5. 2008 und endet am 30. 4. 2010“. „Der Vertrag wird hier wie ein unbefristeter Vertrag behandelt“, so Ropertz.

Unwirksam sind auch Regelungen, die sittenwidrig sind. Dazu zählen etwa folgende Klauseln: „Die Übernachtung von Besuchern ist nicht gestattet“, „Baden und Duschen ist nach 22.00 Uhr verboten“ oder „Der Vermieter darf die Mieträume jederzeit betreten“.

Laut Mieterbund finden sich unwirksame Vertragsklauseln nicht nur in selbst gestrickten Mietverträgen von Einzelvermietern. „Auch in Formularmietverträgen von Hauseigentümervereinen, Maklern oder Wohnungsunternehmen sind viele unwirksame Regelungen enthalten, auch wenn sich diese Verträge Mustermietvertrag oder Einheitsmietvertrag nennen“, sagt Ropertz.

Statt einer unwirksamen Klausel gelte automatisch die gesetzliche Regelung. „Ist eine Vertragsregelung unwirksam, ändert die Unterschrift des Mieters unter den Mietvertrag daran überhaupt nichts.“ Deshalb sei es auch nicht notwendig, seinen alten Vertrag ändern zu lassen, so der Berliner Rechtsanwalt Christian Emmerich. „Wohnungsinteressenten sollten den Mietvertrag aber vor dem Unterschreiben mit nach Hause nehmen, in Ruhe prüfen und sich gegebenenfalls beraten lassen“, rät Emmerich. Vermieter sind allerdings nicht verpflichtet, sich darauf einzulassen. „Es kann aber ein schlechtes Zeichen sein, wenn die potenziellen Mieter dazu gedrängt werden, sofort zu unterschreiben.“ Denn neben den unwirksamen Klauseln gibt es auch gültige Regelungen, die unter Umständen ungünstig für den Mieter sind.

Ein Beispiel: Zwar ist hinsichtlich der Vertragslaufzeit die Regelung unzulässig, dass Mieter und Vermieter für den Zeitraum von sechs Jahren auf ihr Kündigungsrecht verzichten, Mieter also sechs Jahre lang keine Möglichkeit haben, aus dem Mietvertrag herauszukommen. Für bis zu vier Jahre ist ein solcher Kündigungsausschluss bei einem unbefristeten Mietvertrag jedoch durchaus erlaubt. Wohnungsinteressenten sollten sich gut überlegen, ob sie sich darauf einlassen.