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Archiv-Artikel

Brauchbar und bezahlbar

Gutes Rad muss nicht teuer sein – auf einem preisgünstigen lässt sich ebenso gut fahren. Auch ohne Abwrackprämie gibt es solide Ware zu kleinen Preisen. Eine Gangschaltung ist oft inklusive

VON PAUL DA CHALET

200 Euro vom Staat, wenn die alte Gurke gegen ein neues Modell getauscht oder eins mit Elektrounterstützung angeschafft wird. Für Karsten Hübener, Bundesvorsitzender des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club), ist das „eine realistische Forderung“, für den VCD (Verkehrsclub Deutschland) eher falsche Bescheidenheit. Er fordert dazu auf, massenhaft Anträge zu stellen. Sein Textvorschlag: „Ich will mein altes Fahrrad verschrotten lassen und mir ein neues kaufen. Deshalb will ich eine Umweltprämie für den Kauf eines neuen Fahrrads und Fahrausweise für den öffentlichen Verkehr in Höhe von 2.500 Euro beantragen.“

Beim Schnüren der bisherigen Konjunkturpakete sind Velos leider nicht berücksichtigt worden. Könnten da die Fachhändler selbst nicht für Ankurbelung sorgen und die Kunden mit hochprozentigen Sonderaktionen locken? Schulterzucken. Eine Rabattschlacht will weder die BICO Zweirad Marketing GmbH noch der VSF (Verbund Selbstverwalteter Fahrradbetriebe) eröffnen. Beiden Organisationen sind rund 700 Fahrradläden angeschlossen.

Was jedoch anscheinend wieder in Mode kommt: die Inzahlungnahme. Wer etwa bei Oliver Claus, Inhaber eines Fachgeschäftes in Trebur, sein altes Fahrrad abgibt, erhält 50 Euro gutgeschrieben. Allerdings nur dann, wenn ein neues Rad für mindestens 399 Euro mitgenommen wird. Das punktuelle Angebot heißt auch bei ihm Abwrackprämie, doch in Wirklichkeit sollen die Alträder nicht entsorgt, sondern nach Möglichkeit wieder aufgearbeitet werden. „So können Menschen mit kleinerem Budget technisch einwandfreie Räder erwerben“, meint Claus.

Und sonst? Wird überall und unisono auf die derzeit angebotene Vielfalt verwiesen. Und die gäbe es nicht nur bei der Ausstattung der Räder, auch bei den Preisen. Tatsächlich: Wer mit einem neuen Rad liebäugelt, wird nicht nur mit 3.000-Euro-Modellen konfrontiert, vollgefedert, mit 14-gängiger Nabenschaltung oder einem assistierenden 250-Watt-Elektromotor (siehe auch „Radler kleiner Helfer“). Zu finden ist auch solide Ware zu angesagten, also kleinen Preisen.

Beispiel Hollandfahrrad: Vor allem urbane Frauen („Gazelle-Girlies“) haben ihm zu einem erstaunlichen Comeback verholfen. Für 450 bis 700 Euro bekommt man einen Schwanenhals, wenigstens drei Gänge und manchmal auch Nabendynamo oder Mantelschoner aus Moleskin. Aus der Retro-Abteilung stammt auch das „Renaissance“ von Winora. Auch hier Design-Reminiszenz gepaart mit moderner Technik: siebengängige Nabenschaltung, Nabendynamo, Halogen-Scheinwerfer. Ein gemütliches City-Rad mit geschwungenem Alu-Rahmen, zu haben für 549 Euro.

Durchgängig günstig sieht es bei FroschRad aus, dem Fahrradladen in Berlin-Kreuzberg, der auch selbst konstruiert, in Polen fertigen lässt und Kunden außerhalb der Hauptstadt per Direktversand bedient. Inhaber Constantin Kühne: „Wir wollen vernünftige Fahrräder für den täglichen Gebrauch anbieten, und das zu kleinen und mittleren Preisen.“ Und so liegt kein Rad der Hausmarke über 500 Euro. Angeboten wird sogar ein Einfachrad mit Stahlrahmen, wie es in der Nachkriegszeit üblich war. Voll ausgestattet, aber ohne Gangschaltung kostet es 200 Euro, mit Dreigangnabe 250 Euro.

„Qualität zum niedrigen Preis“, das verspricht auch André Kegel, Geschäftsführer der Strike Bike GmbH im thüringischen Nordhausen. Das ist der Betrieb, der 2008 von ehemaligen Mitarbeitern neu gegründet worden ist. „Auferstanden aus In-West-Ruinen“, heißt die Parole. Wurden die ersten Produkte noch über Solidaritätsappelle unters Volks gebracht, sollen nun die Räder selbst überzeugen. Der Anspruch: Brauchbare und bezahlbare Räder für alle. So hat ein „Volksrad“ für 399 Euro nicht nur 3-Gang-Schaltung und Nabendynamo, auch Schrauben, die durchgängig aus Nirosta sind. Und geschraubt werde „von Leuten, die ihr Handwerk verstehen“, beteuert Kegel.

Keine Brosamen aus den Konjunkturpaketen, keine unglaublichen Schnäppchenaktionen. Und dennoch scheint es zurzeit leichter denn je zu sein, ein vernünftiges Fahrrad zu einem ebenso vernünftigen Preis zu bekommen.