: Pfiffe und verhärtete Fronten bei Volkswagen
Nach ergebnislosen Tarifgesprächen reagieren die Arbeiter während einer Versammlung gereizt auf ihren Chef Bernd Pischetsrieder. Der bekommt aber bald Verstärkung. Ab 2005 sitzt der Sanierer Wolfgang Bernhard im Vorstand
HANNOVER taz ■ Die Zeichen bei Volkswagen stehen auf Konflikt. Nach der ergebnislosen zweiten Runde der VW-Tarifverhandlungen wurde Volkswagen-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder gestern auf einer Betriebsversammlung in Wolfsburg mit Pfiffen und Buhrufen begrüßt. Die 12.000 Beschäftigten des VW-Stammwerkes waren nach Angaben einer Betriebsratssprecherin „richtig sauer“.
Eine kurz zuvor von Volkswagen bekannt gegebene Personalie hatte die gereizte Stimmung noch verstärkt: Anfang 2005 soll demnach der frühere DaimlerChrysler-Manager Wolfgang Bernhard in den Volkswagen-Vorstand wechseln. Der als harter Sanierer bekannt Bernhard wird dem Gremium zunächst als Mitglied ohne Geschäftsbereich angehören, ab 2006 aber die Verantwortung für die Marke Volkswagen übernehmen. Die Aktienmärkte zeigten sich über die Berufung Bernhards erfreut. Die zuletzt arg gebeutelte Volkswagen-Aktie setzte sich mit plus 5,16 Prozent auf 33,63 Euro an die DAX-Spitze.
Der Sanierungsexperte wird auch Chef der sechs westdeutschen VW-Werke, in denen Volkswagen vor allem die Personalkosten drücken will und um deren 103.000 Beschäftigte es in den laufenden Tarifverhandlungen geht. Hauptstreitpunkt in diesen Verhandlungen ist weiter eine Beschäftigungsgarantie, von der die IG Metall ihre Kompromissbereitschaft in allen weiteren Punkten abhängig macht. Neun Stunden lang sprachen IG Metall und Unternehmen am Dienstag in Hannover ergebnislos über eine mögliche Sicherung der Arbeitsplätze.
Die IG Metall beharrte auf einer tarifvertragliche Garantie der 103.000 Jobs in den sechs Werken, die durch Modellpolitik und Investitionsentscheidungen abgesichert werden soll. VW-Verhandlungsführer Josef-Fidelis Senn wollte jedoch keine Garantien geben und betonte, man könne nur „Arbeitsplatzsicherheit durch ein spezielles Wirtschaftlichkeitsverfahren garantieren“.
Auch die IG Metall vermeidet mittlerweile nicht mehr strikt das Wort Arbeitskampf, wenn sie die in den Tarifverhandlungen entstandene Lage beschreibt. Die Situation sei verhärtet, das Klima in den Gesprächen angespannt, sagte gestern in Hannover IG-Metall-Sprecher Jörg Köther. Es sei aber „verfrüht, über einen Arbeitskampf bei Volkswagen zu spekulieren“.
Schließlich sind noch zwei weitere Verhandlungstermine vorgesehen, bevor Anfang kommenden Monats bei Volkswagen die Friedenspflicht ausläuft. Für IG-Metall-Verhandlungsführer Hartmut Meine ist die Arbeitsplatzgarantie „die Schlüsselfrage“ der gesamte Tarifrunde. Meine hat mehrfach Kompromissbereitschaft in allen weiteren Punkten garantiert, falls das Unternehmen sich auf eine Garantie einlässt.
Unterdessen bestätigte der Konzern, dass er den geplanten Bau des Luxusmodells C1 verschieben werde. „Er kommt in diesem Jahrzehnt nicht mehr“, sagte der Sprecher. VW habe derzeit andere Prioritäten. Der Sprecher machte allerdings deutlich, dass der Konzern weiterhin ein Modell oberhalb des Passat und unterhalb des Phaeton auf den Markt zu bringen plane. Nach ursprünglicher Planung sollte das Luxuswagen-Modell 2007 in Serie gehen. VW wollte damit gegen den BMW 5er und die Mercedes-E-Klasse antreten.
JÜRGEN VOGES