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Archiv-Artikel

szenenapplaus: multifunktionsfetischismus

Maren ist eine haptische Shopping-Künstlerin. Alles muss sie anfassen, umdrehen und letztlich: haben. Ihre Kunst besteht in der Auswahl der Lieblingsstücke. Sie könnte Geschmack- oder Style-Guide sein. Sie aber sammelt für ihr privates Museum. Das Maren-Museum, in dem Schmuck, Vasen, Schuhe, Taschen und und und auf kleinen Podesten ausgestellt und bewundert werden können, pflegt sie wie einen Schatz.

Bei ihrem letzten Shopping-Exkurs wanderte Marens Blick in das Schaufenster eines Allrounders. Dort hing ein Plakat:

„SCHUBLADEN AUF UND HER DAMIT! Bringen Sie uns Ihre alten Handys, Trockenrasierer, Walkmans, Discmans, Gameboys, Radiowecker oder Pocketkameras und Sie bekommen bis zu 50.- Euro, je nachdem für welches unserer drei Tauschangebote Sie sich entscheiden.“

Zur Wahl standen drei Digitalkameras in unterschiedlichen Preisklassen.

Maren war begeistert. Gab sie ihr Handy ab, könnte sie mit der Kamera weiter telefonieren. Gab sie den Trockenrasierer ihres Mannes her, müsste der sich dann mit einem Handy rasieren. Oder aber mit der Kamera. Epiladys mit integriertem Handy seien in Vorbereitung, erklärte der Verkäufer. Ob sie, wenn sie die Waschmaschine abgäbe, dafür einen Fernseher bekäme, fragte sie. Mit integriertem Radio und Espressomaschinen-Aufsatz. Oder einen Staubsauger mit eingebautem Handy?

In den 50er Jahren gab es bereits eine solche Welle skuriller Gerätekombinationen. Das aber war nur eine Vorwarnung auf das, was uns erwartet. Vielleicht ist der wahre Grund für die inflationäre Wahl von Doppel- und Dreifach-Namen für heutige Säuglinge eine weise Ahnung einer jungen Elterngeneration. Diese hauchen ihren schwerbelasteten Nachkommen daher jetzt ein „Karl Vincent Dylan“ in die Wiege, damit der Sprössling später für jede kunstphilosophische Gattung gerüstet ist. Im Wissen darum, dass Multifunktionalität morgen mehr denn je gefragt sein wird. Carsten Klook