Alles beim Alten

Buchmessern (4): Manche Dinge ändern sich nie. Die Abfolgeder Verlagspartys, die freitägliche Sorge um den Suhrkamp Verlag

VON GERRIT BARTELS

Und jährlich grüßt das Murmeltier: Die Frankfurter Buchmesse liebt den immer gleichen Gang der Dinge. Das bemerkt man dienstags bei der Eröffnung, die jedes Jahr aufs Neue um 17 Uhr im Kongresscenter stattfindet und an deren Ende Börsenvereinsvorsteher Schormann jedes Jahr aufs Neue mit rotem Schal und Einstecktuch eine Zusammenfassung der Reden hält. Das sieht man in den Messehallen, wo sich die Verlage jedes Jahr aufs Neue an den immer gleichen Standpunkten befinden; wo die taz jedes Jahr hinten in Halle 3. 1. ihren Stand hat, gegenüber vom Karin Kramer Verlag. Und das merkt man auf den Feiern der Verlage, die in immer den gleichen Locations zur immer gleichen Uhrzeit stattfinden: Mittwoch, 20 Uhr 30, Rowohlt, Restaurant in der Schirn. Donnerstag, 20 Uhr, FVA, bei Joachim Unseld zu Haus. Freitag, 18 Uhr 30, C.H. Beck, Hesssischer Hof. Änderungen im Programm: nicht vorgesehen.

Allerdings gab es einen Verlag, der zuletzt ausscheren musste: Suhrkamp. Die Erkrankung und der Tod von Siegfried Unseld veranlassten den Verlag, den traditionellen Kritikerempfang aus Unselds Villa in die Verlagsräume zu verlegen und letztes Jahr gar eine Totenmesse in der Paulskirche abzuhalten. Dieses Jahr ist der Verlag zurückgekommen, in die Unseld-Villa in der Klettenbachstraße. Ulla Unseld-Berkewicz stellt Giorgio Agamben vor, über dessen Kommen sie gewohnt pathetisch „stolz“ ist, aber auch zahlreiche andere Autoren und Autorinnen von Bora Cosic über Jamal Tuschick bis Norbert Gstrein. Mit den Worten „In der Erinnerung liegt die Zukunft“, hebt die Unseld-Witwe an, stellt etwas knapp-kühl ihre neuen Mitarbeiter fürs Marketing vor, Thomas Sparr und Petra Büscher, um dann noch eine Neuigkeit zu verkünden: Die Suhrkamp-Party findet dieses Jahr in der alten Polizeiwache statt.

Dort hält sie eine weitere Rede, in der sie das Buch auf den Altar der Kunstreligion hebt und die neuen, ach so geistfernen Zeiten verteufelt. Spätestens hier stellt sich wieder die Frage: Wie geht es weiter mit Suhrkamp? Reicht es noch, einfach nur der Suhrkamp Verlag zu sein und Tradition und Erinnerung für sich arbeiten zu lassen? Lässt sich mit Büchern von Tocotronics Dirk von Lowtzow oder demnächst von einem New Yorker Anti-Folk-Star gegen die Kiwis und Fischers dieser Welt bestehen? Aber auch: War es richtig, dass sich Norbert Gstrein mit „Wem gehört die Geschichte“ gegen Kritiker wehrt, die ihm wegen seines Romans „Das Handwerk des Tötens“ vorwarfen, zu aasgeierisch mit Leben und Tod des Kriegsreporters Gabriel Grüner umgegangen zu sein?

Vielleicht weiß man nächstes Jahr mehr, wenn Ulla Unseld-Berkewicz wieder in die Unseld-Villa lädt und möglicherweise Rainald Goetz als Ehrengast begrüßt, dessen neuer Roman überfällig ist. Klar, dass wir da sein werden, denn, das ist auch klar: Jedes Jahr am Buchmessenfreitag gibt es von uns an dieser Stelle neueste Nachrichten aus dem Suhrkamp Verlag.