: Kontrollanrufe unerwünscht
Auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) soll Professuren abbauen, sich aber zugleich reformieren. „Das kann nicht gehen“, warnt Präsident Michael Stawicki und fordert mehr „freie Bewegung“
Interview: EVA WEIKERT
taz: An der Uni droht Kahlschlag in den Geisteswissenschaften. Auch Sie handeln zur Zeit mit der Wissenschaftsbehörde hinter verschlossenen Türen die Ziel- und Leistungsvereinbarung für 2005 aus. Wird es auch an der HAW eine Streichorgie geben?
Michael Stawicki: Aufgrund der vom Senat festgelegten Absolventenzahlen und der ebenfalls festgelegten Anfängerzahlen sollte eigentlich nicht eine solche Streichorgie herauskommen. Die Frage ist im Moment, ob die Behörde bereit ist, Stellen zu finanzieren, auf die die HAW nicht verzichten kann. Uns sollen offenbar in allen Bereichen insgesamt mehrere Dutzend Stellen weggenommen werden. Zugleich sollen und wollen wir die neuen gestuften Studienabschlüsse flächendeckend einführen, und es wird erwartet, dass wir Studierende in aufwendigen Verfahren auswählen, einen deutlich höheren Studienerfolg erzielen und E-Learning implementieren – das kann nicht gehen.
Die HAW schrumpft schon dadurch, dass sie 15 Prozent ihrer Studierenden abgeben muss an die neue Bauhochschule. Im Frühjahr hatten Sie angekündigt, die HAW wolle in der Championsleague mitspielen. Müssen sie den Wunsch jetzt aufgeben?
Nein. Die Championsleague im Hochschulbereich ist ja nicht dadurch definiert, wie viele verschiedene Angebote man hat. Wichtig ist, dass die vorhandenen Angebote gut zueinander passen und exzellent sind in dem, was sie tun. Für uns heißt das, dass wir exzellent sind in der Lehre und Ausbildung. Dazu gehört etwa die starke Praxisorientierung. Wichtig ist auch, dass wir noch deutlich besser werden bei den Studienerfolgen und zusehen, dass unsere Studienzeiten nicht allzusehr die Regelstudienzeiten überschreiten. Exzellenz erstreben wir aber beispielsweise auch in der anwendungsbezogenen Forschung. Die Weiterbildung im Flugzeugbau und in der Entwicklung von Kabinensystemen wird bei uns künftig eine große Rolle spielen. Der Senat hat ja gerade in seinem Sonderinvestitionsprogramm eine hohe Summe für den Flugzeugbau veranschlagt. Wir fahren diesen Bereich jetzt mit drei neuen Professuren hoch.
Senator Dräger verspricht den Hochschulen mehr Autonomie. Sie waren vorher Vize-Präsident an der Fachhochschule Wiesbaden. Wie frei sind sie denn so im Vergleich in Hamburg?
Die Randbedingungen sind vermutlich überall die Finanzen. In Hamburg sind die im Moment so, dass wir uns in gewissem Umfang bewegen können. Aber ein bisschen mehr wäre besser. Wir haben das Problem, dass gerade für eine Hochschule unseres Typs neue Angebote auf der Hand liegen. Es ist jammerschade, dass wir diese aber im Moment nur auf Kosten von vorhandenen Angeboten machen könnten. Die Feuerwehr will zum Beispiel ein Bachelorprogramm auflegen mit dem Arbeitstitel Hazard Control. Da geht es um den Umgang mit Unfällen und Risiken. Wir könnten das prima zusammen machen.
Die eigentliche Nagelprobe in puncto Autonomie steht aber noch aus. Wichtig ist, dass wir uns nach Verständigung auf die Ziel- und Leistungsvereinbarung mit der Behörde innerhalb des finanziellen Rahmens auch frei bewegen dürfen und keiner hier anruft und moniert, wir hätten drei Leute zuviel im Masterprogramm.
Geht Drägers Plan auf, durch Studienplatzabbau die Betreuung zu verbessern und so die Erfolgsquote zu steigern?
Ja, aber nicht in der Geschwindigkeit, in der er sich das vorstellt. Ich glaube schon, dass Hochschulen etwas dafür tun können, Studierende erfolgreicher zum Examen zu bringen. Problematisch ist aber, ganz darauf zu setzen, dass sich die Hochschulen die Studierenden künftig selbst aussuchen dürfen und dadurch schon Fehlentscheidungen verhindern könnten. Ich glaube, dass wir einen Teil von geänderten Entscheidungen bei jungen Leuten einfach akzeptieren müssen, weil die in einem Alter der Orientierung sind. Die Hochschulen können doch nur dafür sorgen, dass durch eine gute Beratung die Entscheidungen schneller fallen.
Nicht in jedem Fall ist aber, wie der Senator es sich wünscht, ein Bachelorstudium in sechs Semestern möglich. Im gestalterischen Bereich etwa wird mehr Zeit benötigt. Die Kollegen sagen mir immer wieder, dass Gestaltung auch mit Selbstfindung zu tun hat. Und die kann man sehr viel schlechter beschleunigen als reine Lernprozesse.
Der Senat will allgemeine Studiengebühren einführen, mit dem Master Spitzenausbildung quotieren und zugleich Studienplätze abbauen. Sehen Sie dadurch neue Bildungshürden?
Ja. Studiengebühren werden die Hürden tatsächlich erhöhen. Gerade von bildungsferneren Menschen wissen wir, dass sie sich schwer damit tun, sich für Bildung zu verschulden. Ich träume deshalb davon, dass eine Hochschule auch exzellent sein kann, ohne Gebühren zu erheben. Doch falls die Politik wegen der Möglichkeit von Studiengebühren weniger Geld geben sollte und andere Hochschulen durch die Einnahme von Gebühren davonzueilen drohen, werde auch ich bezüglich Gebühren unter Druck geraten.