Klotzen an der Elbe

Hamburg gründet eine neue Bauhochschule in der Hafencity. Drei andere Lehrstätten müssen für das Prestigeprojekt schrumpfen. Kunstcampus Lerchenfeld will aber nicht ganz von der Architektur lassen

Von EVA WEIKERT

Martin Köttering sieht eine „nur fast perfekte Lösung“. Der Chef der Kunsthochschule (HfbK) meint die Gründung der neuen Bauhochschule in der Hafencity, die der Senat kürzlich beschloss. Fast zwei Jahre dauerte das Tauziehen um die Bauausbildung in Hamburg. Jetzt soll mittels millionenschwerer Sonderinvestitionen eine neue Lehrstätte entstehen, die Studiengänge der HfbK, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und der Technischen Uni (TU) integriert. Weil sie dafür schrumpfen, kommt bei den betroffenen Hochschulen kein Jubel auf. Die Kunsthochschule verliert am stärksten und wird zur Miniuni mit 500 Studierenden.

In der neuen 13.000-Quadratmeter-Lehrstätte werden die Architekten der Kunsthochschule mit denen der HAW sowie die HAW-Bauingenieure und Geomaten und die Stadtplaner der TU zu je drei „Departments“ gebündelt. Eine Gründungskommission soll die Struktur der Uni erarbeiten. Vereint würden „gestalterisch-konzeptionelle, technische und stadtplanerische Ausbildung auf universitärem Niveau“, so Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos). Wie er versicherte, werde das Haus Bewerbern mit Fachhochschulreife offen stehen. In die neue Uni werden die Ressourcen der HfbK-, TU- und HAW-Bereiche übertragen, bis zu 75 Dozenten wechseln ihren Arbeitsplatz. Rund 1.500 Studierende sind vorgesehen. Damit schrumpft die Zahl der Anfängerplätze im Baubereich gemäß eines Senatsbeschlusses aus 2003 um 33 Prozent. Wegen lahmender Baukonjunktur ist der Abbau auch bei den Ausbildern unstrittig.

Die Bauuni soll „Form und Inhalt als ein architektonisches Highlight in der Hafencity verbinden“, so Dräger bei der Vorstellung des Projekts im September. Bezahlt wird das neue Haus aus einem Sonderinvestitionstopf des CDU-Senats, der mit dem Hinweis, „Einzelsummen nennen wird nicht“, Fragen nach den Baukosten abblockt.

Ursprünglich war eine Billiglösung geplant: Der Senat wollte die Architektenausbildung unterm HAW-Dach in der City Nord bündeln. Das Studium sollte im Zuge dessen verbessert und Kosten gesenkt werden. Die HfbK aber wehrte sich gegen den Umzug, weil sie um den künstlerischen Anteil im Studium bangte und fand für ihre Idee einer Ausbildungsstätte im Stadtzentrum namhafte Fürsprecher.

„Zum Großteil wurden unsere Vorschläge umgesetzt“, lobt Präsident Köttering, der eine „Uni der Künste und des Bauens“ unter HfbK-Federführung favorisiert hatte. Durch die Neugründung verliert der Lerchenfeld-Campus aber rund 700 seiner 1.200 Studierenden. „Das ist ein Problem“, so Köttering, „denn die Quantität wirkt sich irgendwann auf die Qualitität aus.“ Letztere sieht Köttering heute an der „Weltspitze“. Um das Niveau trotz Verlusts der Architekten zu halten, strebe er etwa Kooperationen mit der Bauuni an und „langfristig wieder zu wachsen“.

Kaum entzückt über die Zwangsabgabe ist auch die TU, die 440 von 5.300 Studierenden verliert und ein Zehntel der Professuren. „Wir hätten lieber was dazu“, so eine Sprecherin. Wie die Harburger bedauern, geht die Ausbildungsreform zudem mit Kosten einher, „die auch von der TU zu tragen sein werden“.

Auch am Berliner Tor wird die Hafen-Uni kritisch gesehen. „Unter rein bildungspolitischen Gesichtspunkten ist das eine Fehlinvestition“, sagt Präsident Michael Stawicki. Die HAW gibt etwa 15 Prozent ihrer 13.500 Studierenden ab. „Wir verlieren einen großen und attraktiven Bereich“, bedauert Stawicki. Sorgen macht ihm auch die Struktur der Bauhochschule, die zum Wintersemester 2008/2009 in Kraft treten soll. Weil allgemein wenig gebaut werde, müsse die Entwurfsorientierung mit einer „sehr soliden Ausbildung“ etwa mit Schwerpunkt Bauen im Bestand gekoppelt werden. „Die Qualifikationen dafür, die bei uns vorhanden sind, dürfen nicht für irgendwelche schicken Dinge geopfert werden.“

Kollege Köttering findet die Sorge „haltlos“. So sei unstrittig, dass zur Architektenausbildung auch Management und Technik gehörten. Köttering sieht eine andere Gefahr durch die neue Bündelung der Studiengänge: den Verlust von „utopisch-künstlerischem Potenzial“ in der Architektur. Diese Kompetenz reklamiere er weiterhin für die HfbK.