: Auto-Lawine dank Rechenmaschine
Die Handelskammer habe den Verkehr auf der Schwachhauser Heerstraße unzulässig hochgerechnet, sagt der BUND: Zwei Spuren reichten dicke. Bauressort schweigt, will aber noch diesen Monat eine Entscheidung fällen – womöglich für vier Spuren
Bremen taz ■ Gut gezählt, aber falsch gerechnet – das ist das Urteil des Bremer BUND über das Gutachten, mit dem die Bremer Handelskammer unlängst ihr Plädoyer für einen vierspurigen Ausbau der Schwachhauser Heerstraße untermauert hat. Die Expertise stelle den Streit auf eine „sachliche Grundlage“, brüsteten sich die Industrie-Lobbyisten. Gestern konterte der BUND: Handelskammer-Gutachter Walter Theine habe die Verkehrszahlen unzulässig hochgerechnet und aus diesen auch noch falsche Schlüsse gezogen. Zwei Spuren reichten dicke, sagte BUND-Verkehrsexperte Peter Müller: „Die Fakten rechtfertigen keinen Ausbau.“
Handelskammer-Gutachter Theine bestätigte auf Nachfrage, dass er die per Zählung erhobene Verkehrsbelastung mit einem Zuschlag von bis zu 37,5 Prozent versehen habe. Das ist ein übliches Verfahren – allerdings „nur für Knotenpunkte“, wie Theine einräumt. Für Straßen gilt es nicht. Theine dagegen hat es auch für das Straßenstück verwendet, sein Ergebnis: maximal 1.442 Fahrzeugen pro Stunde, seine Empfehlung: Vier Spuren.
Der BUND stellte Theines Argumentation gestern die Empfehlungen der Bundesanstalt für Straßenwesen gegenüber. Die lauten: Je eine überbreite Spur reicht für je bis zu 2.200 Fahrzeuge aus. Unter 1.400 Fahrzeugen je Stunde und Richtung genügten sogar Spuren normaler Breite. Das von Theine tatsächlich gezählte maximale Verkehrsaufkommen lag bei 1.227 Fahrzeugen.
Mit ihrem Gutachten habe die Handelskammer ein „Eigentor“ geschossen, frohlockte gestern BUND-Geschäftsführer Martin Rode. Theine blieb bei seiner Version. Ob die Hochrechnung nun zulässig oder nicht sei, sagte er, „darüber kann man sich noch stundenlang streiten.“
SPD-Baupolitiker Carsten Sieling baute gestern schon einmal vor: Die Schlussfolgerung Theines, dass vier Spuren unabdingbar seien, teile er nicht. Das Ergebnis des Gutachtens sei „ein bisschen auf den Auftraggeber zurückzuführen“. SPD-Position sei nach wie vor: „Wo überbreite Spuren möglich sind, da macht man das“.
Bausenator Jens Eckhoff (CDU), der den Straßenstreit demnächst entscheiden muss, wollte gestern weder zu der einen noch zu der anderen Argumentation Stellung beziehen. Auf den „Gutachterstreit“, der zwischen BUND und den Beiräten Schwachhausen, Mitte und Östlicher Vorstadt auf der einen sowie der Handelskammer auf der anderen Seite tobt, wolle man sich nicht einlassen, sagte Bauressort-Sprecher Holger Bruns. Man sehe auch „überhaupt keine Veranlassung, Einschätzungen zu den unterschiedlichen Positionen abzugeben“. Das Amt für Straße und Verkehr habe eigene Zahlen erhoben und gemäß der „fundierten Einschätzung der verkehrlichen Notwendigkeiten“ seine erste Planung vorgelegt – vierspurig. Einen überarbeiteten, zwischen SPD und CDU „konsensfähigen“ Vorschlag werde Eckhoff noch diesen Monat präsentieren. Dieser solle die Maßgabe des Koalitionsvertrages erfüllen, wonach durch die Planung möglichst wenig Privatgrund in Anspruch genommen werden soll.
Für BUND-Verkehrsexperte Peter Müller ist das Wasser auf die eigenen Mühlen. Denn bei jeweils nur einer – überbreiten – Fahrbahn je Richtung, sagt er, sei der Bedarf an Privatflächen: „Null“. Armin Simon