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Archiv-Artikel

Gipfel des Grauens

Frankfurt besiegt Köln mit 2:0. Fragt sich nur:In welcher Sportart? Fußball war es jedenfalls nicht

FRANKFURT taz ■ Die kläglichen Anstrengungen der Protagonisten der Fußball-Bundesliga-Begegnung zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Köln kulminierten in der 38. Minute. Zuerst war der Frankfurter Chris an der Reihe. Der Versuch des Brasilianers, einen Einwurf korrekt auszuführen, misslang, weil er seine Aktion mit einem seltsamen Sprüngchen choreografierte. Nur 20 Sekunden später scheiterte Exnationalspieler Jörg Heinrich für seine Kölner an derselben Aufgabe. Der Ball hatte wohl keine Lust, zu seinen Peinigern zurückzukehren. Er entglitt Heinrichs Händen und fiel hinter ihm zu Boden. Es stand 0:0 und diese slapstickartige Einlage führte in der zugigen Ruine des Waldstadion wenigstens zu einem Lacher bei den 25.000, bei denen sich die Spieler und Verantwortlichen beider Mannschaften bedanken müssen, dass sie nach der Halbzeitpause wieder den Weg auf ihre Plätze angetreten haben.

Anlass dazu bot sich der frierenden Masse nicht. Frankfurt gegen Köln – es war ein Gipfel des Grauens. Serien von grotesken Fehlpässen und Stafetten grandioser Missverständnisse paarten sich mit minutenlanger Ereignislosigkeit, in denen die Spieler wie gelähmt herumstanden. Dass dieses Treffen zweier Mannschaften aus den Tiefen der Tabelle mit Eintracht Frankfurt dennoch einen 2:0-Sieger fand, scheint auf den ersten Blick unverständlich, denn die zweite Hälfte überstieg das Niveau der ersten in keinster Weise.

Vor einem Rätsel stand deshalb auch Kölns gebeutelter Trainer Friedhelm Funkel, der das 1:0 der Eintracht von Nico Frommer als „ein Tor aus dem Nichts“ empfand. In Wirklichkeit aber war auch dieser vorentscheidende Treffer aus der 63. Minute eine Aneinanderreihung von Fehlern des FC: Lottner wehrte einen im Strafraum umherirrenden Ball zu kurz ab, Preuß schoss aus dem Hintergrund, Torhüter Wessels ließ die Kugel abprallen, statt sie festzuhalten, und Frommer hämmerte das Runde ins Netz. Wenigstens das 2:0 (80.) entsprang einer gelungenen Kombination, der einzigen des Tages, an deren Ende der eingewechselte Dragusha aus drei Metern traf.

„Die Niederlage ist so bitter, weil wir gegen eine Mannschaft ohne größere Ambitionen, als wir selbst sie haben, verloren haben“, konstatierte Kölns Manager Rettig enttäuscht. Nach zehn Spieltagen finden die Kölner sich auf einen Abstiegsplatz wieder. Selbst Frankfurt zog nach dem ersten Heimsieg vorbei. Friedhelm Funkel glaubt zwar nicht, dass seine Mannschaft am Boden liegen bleibt, die Diskussion um seine Zukunft beim FC ist aber dennoch wieder entfacht. „Jede Niederlage ist bitter, alles andere kommentiere ich nicht mehr“, reagierte Funkel genervt und erstmals dünnhäutig auf Fragen nach seiner Position.

Dass Manager Rettig zugegeben hat, mit einem möglichen Nachfolger (Marcel Koller) verhandelt zu haben, wofür er von einigen Beobachtern wegen Ehrlichkeit gelobt wurde, war in Wahrheit nicht klug. Macht es einen Unterschied, ob man öffentlich mit anderen Trainern verhandelt oder nicht öffentlich? Oder ist es nicht vielmehr so, dass der Umstand an sich das Klima verändert? Die Diskussion über Funkel wird nach jeder Niederlage neu aufkommen, was angesichts des Leistungsvermögens der Mannschaft sinnlos erscheint, denn jeder Coach, ob er nun Funkel oder sonst wie heißt, wird mit diesem Kader bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt bangen müssen. Ein Trainerwechsel machte also nur Sinn, wäre das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft zerrüttet. Glaubt man den Beteiligten, ist dies nicht der Fall.

Probleme wie Funkel hat Willi Reimann, der Trainer der Frankfurter, nicht. Zwar legten in diesem Jahr schon zwei Aufsichtsratsvorsitzende der Eintracht ihr Amt nieder und stehen Vorstand und AG in treuer Fehde zueinander, aber zum Glück für Reimann gibt es in Frankfurt keinen Manager, der ihm irgendwelche Ultimaten stellen oder hinter seinem Rücken oder vor seinen Augen mit möglichen Nachfolgern verhandeln könnte. Reimann, der versichert, keine Wunder vollbringen und nicht zaubern zu können, ist Realist. Er sagt: „Was wir unserem Publikum anzubieten haben, ist eine mannschaftliche Geschlossenheit.“ Das stimmt: Mehr ist nicht zu erwarten. TOBIAS SCHÄCHTER