: Per Verfassungsbruch zur Unabhängigkeit
Das Baskenland, bisher eine autonome Region, will sich fast völlig von Spanien lösen. Ist das der Sieg der ETA?
Die baskische Separatistenorganisation ETA sieht sich im Aufwind. „Nach 24 Jahren geben sie uns Recht“, jubelte Arnaldo Otegi, der Sprecher der verbotenen Batasuna, des politischen Arms von ETA. Der Plan der Regionalregierung für ein „frei mit Spanien assoziiertes Baskenland“ sei da am besten, „wo er bei uns abgeschrieben wurde“, erklärt Otegi. Die Separatisten jubeln, denn sie wissen genau, dass das Dokument die Zentralregierung in Madrid in eine verzwickte Lage bringt.
Das Vorhaben, aus dem spanischen Staat auszuscheren, benannt nach dem nationalistischen Regierungschef Juan José Ibarretxe, ist ein eindeutiger Verfassungsbruch. Ibarretxe lässt sich davon nicht irritieren, er will seinen Plan auch gegen Widerstände aus Madrid einer Volksabstimmung unterziehen. Sollte er dabei erfolgreich sein, will er ihn in sechs Monaten auch einseitig umsetzen. Ein solches Verhalten lässt Madrid dann nur einen verfassungskonformen Ausweg: die Autonomie außer Kraft zu setzen und die Regierung Ibarretxe des Amtes zu entheben. Gerade das würde die Legende vom kolonialisierten Baskenland, die die Nationalisten verbreiten, untermauern und ETA nützen. Die baskischen Separatisten rund um ETA jubeln erwartungsvoll und versprechen „alles Mögliche zu tun, um mit der verfassungsmäßigen Ordnung zu brechen“.
Ein solch radikales Vorgehen könnte durchaus legitim sein, wenn Ibarretxe die Bevölkerung hinter sich hätte. Doch die Hälfte der Basken denkt nicht nationalistisch. ETA nimmt sich dieses Problems auf ihre Art an. Während die Vertreter der nationalistischen Regierungsparteien frei für ihr Projekt werben können, befinden sich die Gegner im Fadenkreuz der Pistoleros von ETA, die bis auf Gemeindeebene unliebsame Politiker ermorden. Ibarretxes Plan verschärft die Spaltung zusätzlich und ist damit kein Weg zum Frieden, wie er glauben machen will, sondern ein Punktsieg für ETA.
Außerdem weitet ein „frei assoziiertes Baskenland“ den Konflikt aus. Ibarretxe regiert nur über drei Provinzen, träumt aber – wie die Radikalen rund um ETA auch – von einer gesamten baskischen Nation. Deshalb sieht Ibarretxes Plan auch vor, dass sein Baskenland künftig das Recht hat, auch mit den baskischen Territorien auf der französischen Seite der Pyrenäen „Verträge und Übereinkünfte“ zu schließen. Ausdrückliches Fernziel ist dabei „eine gemeinsame politische Struktur“. Der Streit zwischen Nationalisten und Nichtnationalisten wird sich so ausweiten.
Die Interpretation der Batasuna, nach der erst der bewaffnete Kampf Ibarretxes Plan möglich gemacht habe, schafft ein neues Betätigungsfeld für ETA – in den Regionen, die nicht zur baskischen Autonomie gehören. Batasuna-Sprecher Otegi bereitet diesen neuen Feldzug bereits vor, indem er Ibarretxe ausdrücklich warnt, „nicht nur für drei Provinzen mehr Kompetenzen auszuhandeln“. Denn das bedeute „weitere 25 Jahre Konflikt und Krieg“. REINER WANDLER