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Archiv-Artikel

DIE PDS IST INTELLEKTUELL BEQUEM UND KULTURELL UNINTERESSANT Das Karl-Marx-Städter Programm

So, die PDS hat ein neues Grundsatzprogramm. Und nun? Werden die paar Seiten Papier der Partei helfen? Wird das Programm die Machtfrage beantworten und die PDS 2006 zurück in den Bundestag bringen?

Nein. Das liegt noch am allerwenigsten am Programm selbst. Die PDS hat sich mit ihrem neuen Grundsatzprogramm 14 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR vom Marxismus gelöst. Das ist keine besondere Leistung, weil die Partei damit nur das nachholt, was sie Anfang der 90er-Jahre schon einmal glaubwürdiger verkörpert hat: den Versuch, Sozialismus mit dem bürgerlich-liberalen Erbe von Demokratie und Freiheit zu verbinden. Dabei verzichtet das neue Programm, bei allem Bekenntnis zum Grundgesetz und zur Marktwirtschaft, immer noch nicht vollständig auf die alten proletarischen Erlöserfantasien. Aber vielmehr als diese programmatischen Widersprüche selbst beweist das gesunkene Diskussionsniveau der PDS – auf dem Parteitag in Chemnitz eindrucksvoll unter Beweis gestellt –, dass viele Genossen in den zurückliegenden Jahren in die geistige Welt der DDR und des Marxismus zurückgefallen sind.

Die neue Sozialismusbibel ist nicht das Programm einer modernen linken Partei. Es sehnt sich immer noch nach einer Art Vollbeschäftigung durch die alte Umverteilung von „oben“ nach „unten“. Es liefert keine zeitgemäße Antwort auf die Frage, was heute soziale Gerechtigkeit sein kann. Und es bietet erst recht keinen einzigen neuen Gedanken für eine internationale Sicherheitspolitik jenseits der Alternative von Präventivkrieg oder luftigem Pazifismus. Alles geschenkt, könnte man sagen. Was ist schon ein widersprüchliches Parteiprogramm gegen die Hilflosigkeit der PDS, aus einer für sie geradezu idealen Situation politisches Kapital zu schlagen? Die SPD verabschiedet sich vom alten Bonner Sozialstaat, sie befindet sich in der größten Krise ihrer Geschichte – und die PDS beschäftigt sich mit sich selbst. Sie steht zu Recht bei 3 Prozent.

Die zentrale Schwäche der PDS ist mit der Niederlage bei der Bundestagswahl 2002 gnadenlos offen gelegt worden: Sie ist eine politische Phänomenpartei ohne politische Substanz. Das neue Programm wird daran nichts ändern. Die PDS besitzt keinen einzigen vorzeigbaren Politiker mehr. Und die Partei hat erst recht keinen radikalen Chic mehr. Sie ist intellektuell bequem geworden und kulturell uninteressant. Sie repräsentiert nicht mal mehr den Osten des Jahres 2003. Sie hat damit ihren letzten moralischen Impuls verloren.

JENS KÖNIG