Ultra-orthodoxe Anfeindungen

Schwule und Lesben aus Jerusalem berichten in Köln von ihren Schwierigkeiten in einer Stadt, in der Homosexuelle offen diffamiert werden. Für nächstes Jahr bereiten sie eine große CSD-Parade vor

VON THOMAS SPOLERT

„Deportiert die Schwulen!“, haben Unbekannte an Häuserwände geschmiert. „Hitler hat euch nicht ohne Grund getötet“, schlägt ein Passant in die gleiche Kerbe. Andere beschimpfen demonstrierende Lesben und Schwule. Sie haben keinerlei Verständnis für die Minderheit. Es kommt zu Rangeleien. Die Polizei verhindert Schlimmeres. Dies sind keine Horrorszenen aus der Homohochburg Köln. Es sind Szenen aus einem Kurzfilm über die Vorbereitungen zur ersten CSD-Parade in Jerusalem im Jahre 2002. Im Rahmen des deutsch-israelischen Austauschprogramms des Kölner „Jugendclub Courage“ zeigten Gäste aus Israel die Doku am Donnerstag im „Rubicon“, dem Kölner Beratungszentrum für Lesben und Schwule.

Rund 5.000 Menschen aus der Queer-Community Israels zogen vor zwei Jahren erstmals durch die Straßen des Westteils Jerusalems. Während im liberalen, nur 50 Autominuten entfernten Tel Aviv seit Jahren eine bunter CSD ähnlich dem Kölner gefeiert wird, beschimpften in Jerusalem vorwiegend ultra-orthodoxe Juden die Paradeteilnehmer. „Die Bevölkerung war nicht begeistert“, fasst Yakir Shamay die Stimmung von damals zusammen. Inzwischen hat sich die Situation sogar noch verschärft. Die Ultra-Orthodoxen haben sich gegen die jährliche Parade in Jerusalem organisiert. „Mit Megaphonen stehen sie am Straßenrand und beschimpfen uns.“

Shamay ist freiwilliger Mitarbeiter im „Jerusalem Open House“, dem Lesben- und Schwulenzentrum in der Stadt, das 1998 eröffnet wurde. Heute ist es eine der wichtigsten Beratungsstellen für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender im ganzen Nahen Osten.

Vier Angestellte und viele Freiwillige helfen bei sozialen und rechtlichen Problemen. „Es gibt in Jerusalem keine Toleranz für uns“, beklagt Shamay. Deshalb organisiert man Freizeitgruppen, Gesundheitsprojekte und Kulturveranstaltungen.

Wie notwendig die Arbeit des Open House ist, zeigen die häufigen Drohanrufe. Auch ein offen schwuler Abgeordneter im Jerusalemer Stadtrat erhielt unzählige Droh- und Schmähanrufe. Unbekannte hatten zuvor sein Foto mit seiner Telefonnummer an Häuserwände geklebt. „Einmal wurde sogar die Regenbogenfahne an unserem Haus angezündet“, berichtet Ariel Portuguese von den alltäglichen Angriffen. Die junge Lesbe ist eine von vielen Frauen, die eine sehr aktive Rolle im Zentrum einnehmen.

Von den Angriffen lassen sich die Open-House-MitarbeiterInnen jedoch nicht entmutigen. Im Gegenteil: Derzeit bereiten sie ein politisches und kulturelles Großereignis vor. Der „WorldPride“ ist im August 2005 in Jerusalem zu Gast. „Die Wahl der Gruppen aus 23 Staaten fiel auf Jerusalem, weil die Anfeindungen hier so groß sind“, erklärt Shamay. Unter dem Motto „Love Without Borders“ wird ein buntes Programm mit Filmfestival, Workshops und Konzerten geplant. Höhepunkt des WorldPride 2005 wird die Parade durch die Stadt sein, zu der Tausende Besucher aus aller Welt erwartet werden.