Wer rettet die Retter?

Damit der Abschluss des laufenden Geschäftsjahres ausgeglichen sein kann, muss der FC St. Pauli heute im DFB-Pokal gegen VfB Lübeck gewinnen

Eingeweihte fragen, was aus dem Geld der Rettungskampagne geworden ist

von Oke Göttlich

Das Vorgehen ist bekannt. Auf der Jahreshauptversammlung eines Fußballvereins wird der Abschluss des vergangenen Geschäftsjahres präsentiert. Dabei wird das Ergebnis des FC St. Pauli am 5. Dezember wieder einmal verklärt werden. Und das, obwohl die Vereinsführung um Präsident Corny Littmann im Wunsch nach mehr Transparenz und Seriosität im Umgang mit dem Geld des Vereins gewählt wurde. Zwar wird sich Littmann als Padre der zwei Millionen Euro schweren Rettungskampagne des Clubs feiern lassen, über die Zahlen des laufenden und vor allem des darauf folgenden Geschäftsjahres wird er zu Gunsten der Jubelarien lieber schweigen.

Um das erwartete Minus des Vereins in der laufenden Regionalligasaison in Höhe von ungefähr 500.000 Euro annähernd auszugleichen, hofft man auf sportlichen Erfolg. Ein Sieg im DFB-Pokalspiel gegen den VfB Lübeck (heute, 19.30 Uhr) etwa dient als Spekulationsgrundlage. Ausgehend von den publizierten Zahlen des Vereins und der Ansage, dass man durch die Rettungskampagne auch zusätzliches Geld in das laufende Geschäftsjahr einbringen konnte, fragen sich Eingeweihte nun, was aus diesen Mitteln geworden ist und wie es sich mit versprochener Transparenz und seriösem Umgang in Wirklichkeit verhält.

„Natürlich birgt der jetzige Etat gewisse Risiken in sich. Diese Risiken sind aber noch von Variablen beeinflussbar“, sagt Geschäftsführer Frank Fechner. Nur bislang unbekannte Größen wie Spielerverkäufe, Zusatzeinnahmen im DFB-Pokal oder neue Sponsoringpartner bringen liquide Mittel. So werden neben den bekannten Spielern wie Nascimento und Cory Gibbs, die zur Winterpause zum Verkauf angeboten werden, inzwischen weitere Namen wie Philip Albrecht und Hauke Brückner gehandelt, um den Etat über einen verkleinerten Kader auszugleichen.

Die beiden aus der Jugendabteilung des Vereins spielen bei Trainer Franz Gerber keine Rolle mehr, heißt es. Eine pikante Maßnahme, wenn man weiß, dass Trainer Franz Gerber, anstatt auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, munter fremde Spieler verpflichtete. Zuletzt kam mit Henry Nwousou ein neuer Stürmer, den Gerber so lange aus der eigenen Tasche bezahlt, bis der Kader wieder um drei Gehaltsempfänger minimiert ist.

Während sich die Verantwortlichen im Präsidium unter der Vorgabe von Transparenz und Vereinsnähe wählen ließen, werden inzwischen laufende Kosten der überteuerten Lizenzspielermannschaft durch Geld der verschiedenen Abteilungen des Vereins bezahlt. Diese hatten der Lizenzspielerabteilung Geld in Höhe von grob 250.000 Euro zur Verfügung gestellt, um im Zuge der Retterkampagne die Regionalligalizenz mitzufinanzieren. Allein aus der Abteilung Fördernder Mitglieder (AFM) und der Jugendabteilung sind Gelder in sechsstelliger Höhe in die Lizenzspielerabteilung geflossen. Nach wie vor wird dieses Geld vom Präsidium zurückgehalten, obwohl die teilweise schriftlich vereinbarten Fristen zur Rückzahlung abgelaufen sind. Eine Ohrfeige für die Vereinsbasis, wird ihr Geld doch in wieder eingeführte Übernachtungen vor Auswärtsspielen und zusätzliche Spielereinkäufe gesteckt.

Das ist eine schwerwiegende Belastung bei der Planung des Etats für die Saison 2004/05, auf die der Aufsichtsrat inzwischen warnend hinweist. Ein Krisengespräch zwischen dem Aufsichtsgremium und dem Präsidium ist für das zweite Novemberwochenende angesetzt. Denn eine zweite Regionalligasaison müsste mit deutlichen Mindereinnahmen angegangen werden. So sind die Einnahmen durch Hauptsponsor Mobilcom bereits zu über 60 Prozent der vereinbarten Gesamtsumme für die laufende Saison ausgegeben worden.

Das würde bedeuten, dass der FC St. Pauli mit einem geringeren Etat und aller Voraussicht nach ohne Nascimento und Gibbs in die nächste Saison geht und trotzdem den vom Präsidium als Ziel formulierten Aufstieg erreichen muss. Von langfristiger Planung kann keine Rede sein. Vielleicht hofft Gerber wie das Präsidium deswegen auf den direkten Wiederaufstieg in die Zweite Bundesliga. Ein überzogener Optimismus, der zur kurzfristigen Denkweise des neuen Präsidiums passt.