WAHL IN AFGHANISTAN
: Tinte auf die Mühlen der Taliban

Die Taliban konnten die afghanischen WählerInnen mit ihren Drohungen nicht vom Gang an die Urnen abhalten. Diese machten sogar in großer Zahl von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Während sich die Taliban damit als Papiertiger entpuppten, untergraben nun Tintenprobleme die Glaubwürdigkeit der Wahl.

Berichte über Mehrfachregistrierungen gab es schon zuvor. Nicht abwaschbare Tinte auf den Daumen sollten WählerInnen von einer erneuten Wahl abhalten. Zusätzlich wurden Wahlausweise nach der Stimmabgabe gelocht. Das System versagte, als einige WählerInnen mehrere Wahlausweise bekamen und sich die Tinte als abwaschbar erwies.

KOMMENTAR VON SVEN HANSEN

Für die mit Wahlen eigentlich erfahrene UNO ist das Tintenproblem ein GAU. Dabei versagte nach offizieller Lesart nicht die Tinte. Es wurden nur falsche Stifte benutzt. Für diese Version – und damit die mangelnde Schulung der Wahlhelfer – spricht, dass das Problem oft nach wenigen Stunden behoben werden konnte. Doch da hatten schon alle Gegenkandidaten von Übergangspräsident Hamid Karsai zum Boykott aufgerufen.

Die meisten von ihnen hatten dank ihrer Unfähigkeit zu Koalitionen ohnehin nie den Hauch einer Chance gehabt, sodass ihnen das Tintenproblem eine willkommene Möglichkeit zur Vermeidung der Niederlage bot. So zumindest schienen auch die meisten WählerInnen und Wähler zu denken, die trotz der Boykottaufrufe wählten und ohnehin wohl meist für Karsai stimmen wollten.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn das Tintenproblem wie das der Mehrfachregistrierungen untergräbt die Glaubwürdigkeit der Wahlen. Sie sollten die Regierung legitimieren, zum Meilenstein der Staatsbildung werden und das Land einen. All das ist jetzt gefährdet.

Die Wahlen bieten jetzt Stoff für Verschwörungstheorien. Es rächt sich, dass die Wahlen unter Zeitdruck durchgeführt wurden. Auch am Samstag war schnell klar, dass sie nicht, wie von Karsais Gegenkandidaten gefordert, abgebrochen oder verschobenen werden konnten. Denn dann könnte es nicht wie geplant am 30. Oktober das Ergebnis geben.

Die US-Regierung wollte unbedingt vor den US-Wahlen am 2. November eine Wahl von Hamid Karsai sehen. Um die Substanz von Demokratie ging es dabei nie, sondern nur um die Form. Ausgerechnet das Tintenproblem ist jetzt Wasser auf die Mühlen der Taliban.

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