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Archiv-Artikel

Verliererin: die Kirsche

Das niedersächsische Landesamt für Statistik verbreitet besorgniserregende Kunde über niedersächsisches Obst

Von bes

Hannover taz ■ Das Unheil kommt auf leisen Sohlen: „Auf der Verliererseite“, teilt das Niedersächsische Landesamt für Statistik mit, „steht ganz vorne die Sauerkirsche.“ Pietätlos nüchtern wird im Folgenden vom „Rohstoff für die Verarbeitungsindustrie“ gesprochen, der „hier nicht mehr kostendeckend angebaut und vor allem geerntet werden“ könne. Die harten Zahlen des Niedergangs: „1982 standen in Niedersachsen noch auf 1074 Hektar Sauerkirschen, 2002 waren es nur noch 69 Hektar“.

So lapidar, so unscheinbar, so bitter: Zwar beschwichtigt das Landesamt, dass „bei Süßkirschen“ eine gute Ernte ja durchaus drin gewesen wäre, „wenn nicht der Dauerregen im Juli so viele Früchte“ hätte aufplatzen lassen, „dass bei 31 Prozent der Bäume“ eine Ernte nicht mehr gelohnt hätte.

Aber das ist bloß ein schwacher Trost. Denn wie viel mehr bedeutet das Schwinden der Sauerkirsche aus Niedersachsen! Dieses pralle Ding, dessen kurze, aber intensive Fruchtzeit seit Ende des 19. Jahrhunderts als Zeichen politisch-gesellschaftlichen Aufbruchs gilt – „Mais il est bien court, le temps des cérises“, heißt es in dem einschlägigen Lied der Pariser Kommunarden – aus und vorbei! Lohnt nicht mehr! „Der romantische Obstbauernhof in einsamer Lage“ sei heute, folgern die unerbittlichen Fruchtzähler, „mehr ein Hilfsmittel in der Werbung als Realität.“ Bloß in Sachen Äpfel und schwarze Johannisbeeren würden die Obstbauern aus dem Alten Land und Nienburg noch mehr als die Hälfte des Landesbedarfs liefern.Und schwarz-gelb regiert in Hannover.

Ganz im mittelstandspolitischen Sinne loben die Statistiker die „heimischen Erzeuger, Beratungsringe und Händler“, weil die nämlich eine „Kette vom Erzeuger bis zum Verbraucher auch unter dramatisch sich verändernden Vermarktungsbedingungen“ aufrechterhielten. Deshalb würden „ die Produkte immer noch überall dort angeboten werden, wo die Verbraucher nun mal einkaufen“. Das sei, heißt es vom Landesamt für Statistik, „ein großer Erfolg“. bes