: Polizei fürchtet den Big Bang
Zum Jahreswechsel will die Berliner Behörde ihr veraltetes Computersystem abstellen und ein neues in Betrieb nehmen. Doch ob das pünktlich klappt, steht in den Sternen
In der Silvesternacht soll für die Polizei ein neues Computerzeitalter beginnen. Zum Jahreswechsel soll das bisherige „Informationssystem Verbrechensbekämpfung“ (ISVB) abgeschaltet und das „Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung“ (Poliks) an den Start gehen. Doch das ist längst nicht sicher.
„Ich rechne nicht damit“, sagt Lutz Hansen, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Und auch Ulrich Bechem, der verantwortliche Leiter der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnik im Polizeipräsidium, beharrt nicht unbedingt auf diesem Termin, denn der komplette Umstieg ist nicht ohne Probleme. Sind die ISVB-Daten erst einmal endgültig aufs neue Poliks überspielt, sagt er, befindet sich die Berliner Polizei in einer „Big-Bang-Situation“. Spätestens nach 48 Stunden ist ein Zurückschalten auf das alte System nicht mehr möglich.
Seit knapp vier Wochen wird der neue Zentralcomputer getestet. Lange genug hat es gedauert, denn an Poliks wird bereits seit Anfang 2000 gebastelt. Ursprünglich sollte das neue System schon Ende letzten Jahres in Betrieb gehen. Doch hausgemachte technische Schwierigkeiten, Finanzprobleme und nicht zuletzt die Stümperei beim Aufbau eines neuen Zentralcomputers beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden haben das rund 70 Millionen Euro teure Projekt immer wieder verzögert. Mittlerweile drängt die Zeit, denn schon seit längerem steht das ISVB kurz vor dem Zusammenbruch. Nicht selten fällt das Mitte der Siebzigerjahre installierte System „stundenweise“ aus, klagen Kriminalbeamte. Ulrich Bechem leugnet nicht, dass es in Spitzenzeiten zu einer Überlastung kommen kann.
In der jetzt angelaufenen ersten Testphase geht es erst einmal um einen generellen Funktionscheck, bei dem rund 600 simulierte Alltagsfälle durchgespielt werden. Im zweiten Schritt soll danach die Belastungsfähigkeit des neuen Elektronengehirns überprüft werden. Kommt es dabei zu Datenverlusten oder gar einem Systemstillstand muss das altersschwache ISVB auch im nächsten Jahr weiterhin ran.
Doch derzeit gibt man sich im Polizeipräsidium noch optimistisch. Von den vorgesehenen 8.000 Arbeitsplatzcomputern seien bereits über 7.000 installiert. OTTO DIEDERICHS