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Archiv-Artikel

Böger tauscht Sprachtests aus

In den kommenden Wochen werden die Deutschkenntnisse der 38.000 Vorschulkinder überprüft. Wer Defizite hat und keine Kita besucht, muss einen Sprachkurs absolvieren. Kritik von der Opposition

von SABINE AM ORDE

Für die 38.000 Vorschulkinder der Stadt beginnt eine aufregende Zeit: Anfang November müssen sie an ihrer künftigen Grundschule angemeldet werden, bereits ab der kommenden Woche werden ihre Deutschkenntnisse mit dem Test „Deutsch Plus“ überprüft. Die Kinder, die für die Schule nicht ausreichend Deutsch sprechen und weder Kita noch Vorklasse besuchen, müssen einen Deutschkurs absolvieren. „Für diese Kinder handelt es sich um eine vorgezogene Schulpflicht“, sagte Bildungssenator Klaus Böger (SPD). Er schätzt, dass dies bei 400 bis 700 Kindern der Fall sein wird. In Berlin besuchen 96 Prozent der künftigen Erstklässler eine vorschulische Einrichtung.

Die Deutschkurse, die im Februar beginnen, sollen ein halbes Jahr laufen und täglich zwei Stunden dauern. Durchgeführt werden sie an der künftigen Schule der Kids von LehrerInnen, die in „Deutsch als Zweitsprache“ fortgebildet sind. Die Gruppen sollen maximal zehn Kinder umfassen. Kritiker halten das für nicht ausreichend (siehe Interview). Bildungssenator Böger lässt derzeit prüfen, ob mittels Ein-Euro-Jobs eine Ausweitung der Kurse durch arbeitslose Lehrer möglich ist.

„Deutsch Plus“ löst den Sprachtest „Bärenstark“ ab, mit dem bislang die Deutschkenntnisse der Vorschulkinder erhoben wurden – mit dramatischen Ergebnissen. Danach spricht fast die Hälfte der Vorschulkinder so schlecht Deutsch, dass sie Förderung benötigen. Bei den Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache waren es sogar 80 Prozent.

„Deutsch Plus“, das in Niedersachsen bereits seit 2002 eingesetzt wird, ist kürzer als „Bärenstark“; ein Test dauert 15 bis 20 Minuten. Er wird an den Kitas und in den Grundschulen durchgeführt. Nach einem Gespräch mit den Eltern wird zunächst anhand eines Bildes der passive Wortschatz des Kindes erhoben. Dann wird mit Hilfe eines Kuscheltiers getestet, ob das Kind die Aufgaben versteht, die die Lehrerin stellt. Schließlich soll es Bilder beschreiben und damit seinen aktiven Wortschatz unter Beweis stellen.

Wichtigster Unterschied zu „Bärenstark“: „Deutsch Plus“ testet nur, ob ein Kind gefördert werden muss, nicht worin dieser Förderbedarf besteht. „Ein punktueller Test ist in diesem Alter problematisch“, sagt Silvia Wagner-Welz, die zuständige Fachfrau der Bildungsverwaltung, zur Begründung. „Die Kinder sollen prozessorientiert gefördert werden.“ Außerdem habe es Probleme mit der Validität von „Bärenstark“ gegeben. Zusätzliche Mittel werden nicht in die Kitas fließen, sagte Böger. Aber mit dem „Bildungsprogramm Kita“, Materialien wie Sprachlernkoffern und Sprachlerntagebüchern sei den Erzieherinnen Hilfe an die Hand gegeben worden. Außerdem werde die Fortbildung intensiviert.

Der Opposition im Abgeordnetenhaus reicht das nicht. „Kita-Kinder, die Sprachdefizite aufweisen, werden ohne zusätzliche Förderung wieder zurück in dieselbe Einrichtung verwiesen, die vorher nicht in der Lage war, diese Defizite zu beheben“, kritisierte die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Mieke Senftleben. Die CDU forderte, die Sprachtests bereits zwei Jahre vor Schuleintritt durchzuführen. Die Grünen bemängeln, dass „Deutsch Plus“ nicht erhebe, in welchem Bereich ein Kind Unterstützung braucht. „Damit werden die Erzieherinnen mit der Frage, was sie genau fördern sollen, allein gelassen“, so Kitaexpertin Elfi Jantzen. Das gelte auch für die Frage, „wo die Erzieherinnen neben allen anderen Aufgaben die Zeit für die gezielte Förderung hernehmen sollen“.