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Archiv-Artikel

Mutierte Pflanzen normal gezüchtet

Resistenzen gegen Unkrautvertilger sind der Verkaufsschlager unter den genmanipulierten Pflanzen. Inzwischen aber gelingt es immer öfter, auch konventionell gezüchtete Pflanzen resistent zu machen. Für die Umwelt sind diese eher noch bedenklicher

von MATTHIAS URBACH

Konventionell gezüchtet ist gut – Gentechnik ist böse? Wer sich bisher an dieser Unterscheidung orientiert hat, sollte noch einmal darüber nachdenken. Denn seit einiger Zeit dringen – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – konventionell gezüchtete Pflanzen auf den Markt mit ähnlichen Eigenschaften wie die Marktführer der grünen Gentechnik: Sie sind immun gegen Unkrautvertilger.

Diese haben für Bauern den Vorteil, dass sie diese Substanz ungehemmt über den Acker sprühen können: Nur die Unkräuter verenden, das immune Getreide gedeiht. In der bislang größten Studie zu gentechnischen Pflanzen kamen britische Forscher jüngst zum Schluss, dass herbizidresistente Pflanzen Flora und Fauna am Ackerrand stark beeinträchtigen können.

Inzwischen haben Biotech-Firmen auch auf konventionellen Wegen herbizidfeste Pflanzen gewonnen: So bietet BASF etwa sein „Clearfield“-System an, nämlich Pflanzen wie Ölraps, Weizen und Sonnenblumen, die gegen den Wirkstoff Imidazolinon resistent sind, in Verbindung mit ebendiesem Unkrautvernichter. Die Pflanzen werden bislang vor allem für den australischen und kanadischen Markt hergestellt.

In Kürze ist allerdings nach einem Bericht des Wissenschaftsmagazins New Scientist auch der Anbau von Clearfield-Sonnenblumen in der Türkei geplant. DuPont und andere Firmen bieten ähnliche Sorten an. In Australien ist bereits gut zwei Drittel des angebauten Ölrapses immun gegen Atrazin, eines der übleren Herbizide, welches in Europa inzwischen verboten ist.

In den Augen von Beatrix Tappeser, Agrarexpertin des Öko-Instituts in Freiburg, macht es keinen Unterschied, ob herbizidresistente Pflanzen gentechnisch hergestellt wurden oder konventionell. „Wenn sie das gleiche Resistenzbild haben wie ihre gentechnischen Varianten, dann sind sie genauso einzustufen.“ Schließlich richteten die konventionellen Sorten dann auch dieselben Schäden an wie die gentechnischen Pflanzen.

Die Ironie an der Sache ist, dass Imidazolinon und Atrazin viel schädlichere Substanzen sind als Glyphosat und Glyphosinat, gegen die die gentechnisch veränderten Pflanzen zumeist resistent sind. Die Saatgutfirmen hoffen dennoch sehr darauf, dass die Bauern ihnen die konventionellen Züchtungen abkaufen. Schließlich sind die Gentech-Pflanzen bei den Verbrauchern unbeliebt, nicht aber die Resistenzen gegen Unkraut. Und der Markt der herbizidresistenten Pflanzen wächst, weil er es den Bauern erleichtert, ihr Feld zu bestellen.

Die Herbizidresistenzen werden in der Regel aus Unkräutern eingekreuzt, die vom vielen Spritzen bereits resistent sind. Dabei sind die Methoden in der konventionellen Züchtung inzwischen auch nicht mehr traditionell. So wird zuweilen mit Zellgiften nachgeholfen, um Mutationen im Erbgut der Pflanzen anzuregen. Zuweilen braucht es lange, bis eine brauchbare Pflanze entsteht – und die ist nicht selten nicht mehr vermehrungsfähig. Solche Probleme werden dann per „Embryo Rescue“ behoben, also dem Aufpäppeln des Pflanzenembryos im Reagenzglas.

Für Beatrix Tappeser gibt es dennoch einen Unterschied, weil die so manipulierten Pflanzen sich noch im „Reaktionsspektrum ihrer Art“ verhalten – während in der Gentechnik häufig Bakteriengene in die Pflanzen eingeschleust werden. Trotzdem zeige dieses Beispiel, so Tappeser, dass auch diese Pflanzen „genauer beleuchtet werden“ müssten.

Ingrid Nöh, Expertin für Gentechnik-Pflanzen beim Umweltbundesamt, glaubt aber, dass die konventionell gezüchteten Pflanzen kein so großes Problem darstellen werden wie die gentechnischen. „Bei konventioneller Züchtung kriegen Sie die Resistenz nur in bestimmte Sorten rein“, sagt Nöh. „Mit gentechnischen Verfahren kriegen Sie das in die ganze Palette: vom Chicoree bis zum Apfelbaum.“