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Archiv-Artikel

Von Koch lernen heißt siegen lernen

Nach der ernüchternden Kommunalwahl im Ruhrgebiet setzt CDU-Revierchef Lammert jetzt auf den Roland-Koch-Effekt und deshalb wohl auch auf Unterschriften gegen eine europäische Türkei. „Die letzte Woche war mühsam“

RUHR taz ■ Monatlich bittet Norbert Lammert zum Pressefrühstück in ein Bochumer Hotel, dessen Tagungsräume nach Orten im Ruhrgebiet benannt sind. Der CDU-Revierchef sitzt dann gerne vor Kopf im Raum Dorsten, einer CDU-Hochburg. Doch zum ersten Pressetreff nach den Kommunalwahlen kam es ausgerechnet im Saal Castrop – hier ging der Union ja das Rathaus gerade verloren. Der ans Unheil mahnende Name blieb nicht der einzige Schönheitsfehler.

Für Lammert steckt seine Partei in einer dramatischer Situation: Auf dem Düsseldorfer Bundesparteitag im Dezember müsse sowohl übers Personal entschieden als auch der Streit über die Finanzierung von Gesundheit und Rente beigelegt werden. „Die CDU boykottiert derzeit ihre eigenen Vorschläge“, warnt der Bundestagsvize. Die Uneinigkeit verstärke die Besorgnis der Bürger in existenziellen wie unübersichtlichen Themen. Und das habe natürlich Auswirkungen auf den Kommunalwahlkampf gehabt: „Die Großwetterlage hat sich zu unseren Ungusten verändert – die letzte Woche war mühsam“.

Den Sozialdemokraten sei es besser ergangen: „Die bekamen die zweite Luft“, glaubt Lammert. Die CDU habe im Ruhrgebiet keine „strukturelle Mehrheit“ – auf einen CDU-Mann kommen bis zu fünf engagierte SPDler: „Es war schon eine luxuriöse Erwartung, zu glauben, wir marschieren auf die Zweidrittel zu.“ Immerhin liege man im Land weiterhin 13 Prozent vor der SPD, stelle doppelt so viele Funktionsträger.

„Ich hätte auch gerne eine Sternstunde wie 1999 erlebt“, sagt Lammert, den vor allem die Zusammensetzung des Ruhrparlaments im neuen Regionalverband Ruhr (RVR) wurmt. Die SPD ist hier stärker als CDU und FDP zusammen; Grüne und Sozialdemokraten basteln an einem rot-grünen Bündnis. „Wir halten uns da an die preußische Kleiderordnung“, sagt Lammert. Die stärkste Fraktion müsse eine Mehrheit finden. Für seine Partei werde es jetzt ganz schwer zu gestalten: „Wir haben nur drei Oberbürgermeister im RVR“. Von 28 SPD Ruhrräten sind allein zwölf Landräte oder OBs.

Für Lammert auch eine Folge falscher Wahlstrategien: Statt sich als Ruhrgebietspartei darzustellen, seien Kandidaten der Versuchung erlegen, ihren Wahlkampf ganz auf die Stadt und eigene Person zuzuschneiden. Ein Vorwurf, den er Ex-OB Oliver Wittke in Gelsenkirchen nicht machen kann. Dessen Niederlage ist eine „bittere“ Überraschung – Wahlergebnisse träfen eben nicht unbedingt Aussagen über Kompetenz: „Ich habe schon glänzende Leute scheitern sehen“. Wittke sei ein großes Talent der NRW-CDU, ihn freue es, das er nun für den Landtag antrete. Gelsenkirchens CDU-Fraktionschef Gerd Schulte habe für ihn verzichtet. Lammert gerührt: „So etwas habe ich nicht allzu oft erlebt“.

Was er sich auch liebend gern erspart hätte: Das Vorgehen der CDU im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Das üppige Salär für den neuen Geschäftsführer sei eine „seltene Kumulation von Dummheit“.

Woher vor den Landtagswahlen im Mai der Rückenwind komme? „Unhysterisch“ will Lammert die Idee einer Unterschriftenliste gegen den EU-Beitritt der Türkei prüfen. Man müsse die Sorgen der Menschen aufgreifen. Ein wenig Siegeszuversicht weht dann durch den Raum Castrop: Seinerzeit habe er ja Roland Kochs Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft scharf kritisiert. Doch seine damalige Skepsis sei unbegründet gewesen – und schließlich habe die hessische CDU ihre Landtagswahl ja gewonnen. CHRISTOPH SCHURIAN