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Archiv-Artikel

Beluga oder: Schule geht auch anders

Die Reederei Beluga will eine neue Oberstufe mit neuer Pädagogik und maritimem Profil gründen

Ausgerechnet ins „Brillissimo“ hatte die Beluga Group geladen zur Vorstellung eines ungewöhnlichen Schulprojektes: Die Reederei, die sich bisher vor allem durch Kultur- und soziales Sponsering einen Namen gemacht hat, will ein „Beluga College“ gründen, eine private Oberstufe für Bremen. Gut 120 Interessierte – darunter rund 30 Jugendliche – waren gekommen.

„Wir unterrichten Schüler – nicht Fächer“, meint der designierte Schulleiter Gerd May und skizziert die neue Oberstufe: Sie führt zur allgemeinen Hochschulreife, bilingual – auf Englisch und Deutsch. Eine weitere Fremdsprache ist verpflichtend, die Schüler können zwischen Spanisch und Chinesisch wählen. Zusätzlich erwerben sie auf die Schifffahrt bezogene berufliche Kenntnisse: Sie können zwischen zwei maritimen Profilen wählen, entweder das kaufmännische Profil mit Rechtskunde und Wirtschaft oder das technisch-naturwissenschaftliche Profil mit Informatik und Bio oder Physik.

Was es aber von allen anderen Bremer Oberstufen abheben soll, ist die Lernstruktur, die sich an einem modernen Betrieb der Wissensökonomie orientiert: Statt Klassenzimmer gibt es Lernräume mit Computer-Arbeitsplätzen, in die sich die Schüler einloggen. Die Betriebszeit der Schule geht von 8 bis 18 Uhr, die Schüler haben ein Arbeitszeitkonto, es gibt eine für alle verpflichtende Kernlernzeit, darüber hinaus gilt Gleitzeit. Die Schüler können also nach ihrem ganz persönlichen Bio-Rhythmus anfangen. Sie lernen in sechswöchigen Blöcken, in denen projektorientiert gearbeitet wird, also fächerübergreifend an einem Thema. In „Meetings“ führt der Lehrer in ein Thema ein, ansonsten lernen die Schüler nach ihrem individuellen Lernprogramm, das auf ihren Kenntnisstand aufbaut. Brauchen sie Hilfe, so können sie sich an die Lehrer wenden, die sich entsprechend als „Coach“ verstehen sollen. Die Schüler lernen in Teams, zudem sind je zehn Schüler jahrgangsübergreifend in einer Lerngruppe zusammengefasst, in der sie sich gegenseitig („Peer-to-Peer-Learning“) unterstützen lernen sollen.

Gerd May war sechs Jahre lang Schulleiter der Privatschule Mentor, die vom Sozialwerk der Freien Christengemeinde in Gröpelingen betrieben wird. Dort hatte er sich mit modernen Konzepten nicht durchsetzen können – das Konzept für das Beluga-College werde „ziemlich das Gegenteil“ dessen, was bei „Mentor“ im pädagogischen Bereich möglich gewesen sei, sagt May.

Justiziar Michael Beckhusen umreißt die harten Fakten: Die Schule startet im August mit 35 Schülern in der ehemaligen Spirituosen-Fabrik Jürgensen „Am Deich 86“, interessierte Jugendliche können sich ab sofort anmelden, aufgrund der individuellen Lernpläne auch für den 11. Jahrgang. Das Schulgeld soll einkommensabhängig sein, durchschnittlich aber bei 250 Euro liegen. Wie bei Neugründungen von Privatschulen üblich, gibt es in den ersten drei Jahren keine staatlichen Gelder, an einer endgültigen Genehmigung durch die Schulbehörde zweifelt Beluga nicht, da weder inhaltliche Ausrichtung noch Lernkonzept bisher in Bremen vertreten sind.

Die Anwesenden sind beeindruckt, haben aber auch viele Fragen. Interessant ist, dass viele, die sich zu Wort melden, selbst Lehrer sind, die mehr über das pädagogische Konzept wissen wollen. Manche der Jugendlichen interessiert die nautische Ausrichtung, andere suchen eine Alternative zu ihrer Schule. Etliche von ihnen wollen sich anmelden. Viele Fragen bleiben an diesem Abend offen: zum sozialen Lernen, zu Leistung, Benotung und Elite, wie Schüler den hohen Grad an Selbstorganisation lernen, wie sie in Krisen aufgefangen werden.

CHRISTINE SPIESS