Die Uni entdeckt die Bürger

Erstmals soll das freie Engagement von Bürgern durch ein sozialwissenschaftliches Hochschulinstitut erforscht werden. Seit gestern arbeitet die Humboldt-Uni mit dem Maecenata Institut zusammen

von ADRIENNE WOLTERSDORF

Es war der Römer Gaius Maecenas, der die tolle Idee hatte, dass ein Staat intellektuelle Bürger zum Mitdenken brauchen könnte. Damals galt es, das riesige und damit zu teure römische Heer zu demobilisieren, doch Kaiser Octavian fürchtete sich vor dem entstehenden Machtvakuum. Dann kam Maecenas mit der viel billigeren Idee, den Bürgern ein bisschen Macht und Gestaltungsfreiheit zu gewähren. Unter zwar deutlich anderen, aber doch wesensverwandten Umständen entdeckt man auch hierzulande die Zivilgesellschaft und die Philanthropie. War es nicht das, was Exbundespräsident Roman Herzog ansprach, als er in seiner Rede im Hotel Adlon forderte, es müsse „ein Ruck durch die Gesellschaft gehen“?

Zwar gibt es im Vergleich zu den USA nur wenig bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft, aber, ganz deutsch, nun will man es umso gründlicher erforschen. Hierzu vereinbarte die Humboldt-Universität gestern als erste in Deutschland eine akademische Kooperation mit einem unabhängigen sozialwissenschaftlichen Institut. Neues angegliedertes Institut, kurz „An-Institut“ ist das „Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft“ in der Albrechtstraße in Mitte. Die 1997 gegründete Einrichtung wird weiterhin vor allem von deutschen Stiftungen wie der Essener Mercator Stiftung finanziert, soll aber in den Lehrbetrieb an der HU breitflächig eingebunden werden. Zivilgesellschaftsforschung sei ein Querschnittsthema, erörterte zur Eröffnung der Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Selbst in der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät habe es bereits eine Promotion zum Thema gegeben.

„Wir wollen beim Thema Philantropie und Zivilgesellschaft zum Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik beitragen“, erklärte Institutsgründer und Leiter Ruprecht Graf Strachwitz (siehe Interview). Außerdem solle die Einrichtung eine Art Verbraucherschutzinformation für die Öffentlichkeit sein und Informationen und Stellungnahmen zu diesem Bereich entwickeln.

Strachwitz und seine MitarbeiterInnen forschen über die Rahmenbedingungen zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Stiftungen und entwickeln Lehrinhalte für deren Führungskräfte und engagierte Bürger und Politiker. Die Kooperation wertete Strachwitz als „Durchbruch bei der Entwicklung einer modernen Zivilgesellschaft“ in Deutschland. Zusammenhänge und Handlungsmechanismen bürgerschaftlichen Engagements seien im europäischen Kontext noch wenig erforscht.

Obwohl das Maecenata Institut bereits 1997 seine Tätigkeit in Berlin aufnahm, kam es erst in diesem Sommer zu einem Vertragsabschluss. Warum, erklärt Strachwitz mit bürokratischen Hürden. Der wissenschaftliche Beirat hatte dem Institut schon 1998 empfohlen, sich zunächst intern zu entwickeln und dann eine Kooperation anzudenken. Ab 2001 wurde verhandelt. „Was die tatsächliche akademische Kooperation betrifft, waren wir uns in sechs Wochen einig. Die Verhandlungen mit der Universitätsverwaltung haben zweieinhalb Jahre gedauert, es war unglaublich schwierig.“

HU-Vizepräsident Heinz-Elmar Tenorth bescheinigte dem Institut wesentliche Elemente, „die zur Identität der HU gehören“. Deren Gründer Wilhelm von Humboldt habe auf Autonomie gegenüber dem Staat bestanden und ein unabhängiges Denken der Nation an sich gefordert. Ihn hätten die Philanthropen, die „Pädagogen der Aufklärung“, geprägt.