: Ich, Gina Wild, aß Nudeln
Michaela Schaffrath war Gina Wild, Pornodarstellerin. Jetzt hat sie ein Hörbuch über ihr Leben besprochen. Aber Schaffrath ohne Wild ist wie Pornos ohne Bilder
Illusionen sind die Schmetterlinge des Lebens, und insofern ist es alles andere als schön, wenn ein solches Insekt gemeuchelt wird. Michaela Schaffrath heißt die Frau, die einen solchen Mord begeht – und dabei meint sie es doch nur gut und will ihre Vergangenheit vermarkten, in der sie unter Einsatz sämtlicher verfügbarer Körperöffnungen Karriere machte: In furchtbarer Ausführlichkeit – satte 190 Minuten lang – erzählt Michaela Schaffrath über ihr Leben vor, während und nach der Zeit als Porno-Queen.
„Ich, Gina Wild“ (Sony) heißt das Hörbuch, auf dem Schaffrath ihr Schaffen – heterosexuell veranlagte Männer werden ihr Werk zumindest auszugsweise kennen; wer das Gegenteil behauptet, lügt! – aufarbeitet und dabei mit klitzekleinem Sprachfehler – „romantich, Schmutzwäche“ – Dinge erzählt, die man sich nie träumen wollte.
Dass sie als Kind ein hässliches Entlein war, zu dick durch die Gegend watschelte, unter Hornhautverkrümmung und vor allen unter der permanenten Angst litt, keinen Mann abzukriegen. Die Fotos im Booklet belegen schonungslos: Die Selbstkritik Michaelas hatte durchaus ihre Berechtigung.
Und dennoch: Alles haarklein zu erzählen ist das Geheimnis der Langeweile, und so will man nicht wirklich wissen, dass zur Geselligkeit zu Hause gute Speisen gehörten, etwa „meine Leibspeise Nudeln mit Eiersoße“.
Einzig das beigelegte Ausklappposter zeigt die wahren Qualitäten der Michaela Schaffrath und führt zur der Erkenntnis: Pornos ohne Bilder funktionieren nicht.
Auf jenem Foto steht Michaela Schaffrath einfach nur pudelnackig da und sieht aus. Ganz passabel, aber so gut nun auch wieder nicht.
Es ist so: Die Kinderkrankenschwester, die Gina Wild wurde, ist jetzt wieder Michaela Schaffrath, schon ganz bald Mitte 30, und muss jeden Monat Miete und Mohnbrötchen bezahlen. Und dafür reichen eben ein paar Nebenrollen in Krimis und Gastauftritte in von Wim Wenders zusammengeklempnerten Videoclips nicht. MARTIN WEBER
Michaela Schaffrath: „Ich, Gina Wild“. Sony, 2003, Hörbuch